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Filzmaier analysiert

Extremismus, was ist das?

1) Extremismus bedeutet, dass man das bestehende demokratische System und den demokratiepolitischen Grundkonsens in einem Land nicht akzeptiert und letztlich einen Umsturz will. Es geht nicht darum, sich „eine andere Politik“ oder je nach Parteivorliebe einen Regierungswechsel in Wien oder seinem Bundesland zu wünschen. Extremisten stellen das verfassungsgemäße Handeln und Zusammenwirken der Staatsgewalten Parlament, Regierung und Gerichte sowie von Bund und Ländern infrage.
2) Wir (fast) alle anerkennen die Spielregeln der Verfassung für zulässige Protestformen, wenn uns ein Wahlergebnis, Regierungsbeschluss oder auch Gerichtsurteil nicht passt. Da gibt es ja Möglichkeiten von Bürgerinitiativen bis hin zu Volksbegehren. Wer extrem ist, will nicht nur als sein gutes Recht kritisieren und protestieren sowie Gesetze inhaltlich beeinflussen, sondern das demokratische Regelwerk an sich erschüttern. Was brandgefährlich ist. Von den Identitären etwa ist nicht bekannt, dass sie je den ordentlichen Weg von parlamentarischen Eingaben durch die Bürger oder der Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren gegangen sind. Sie anerkennen stattdessen unser gewähltes Parlament und die Gerichtsbarkeit nicht wirklich.
3) Anstelle von National- und Bundesrat solle es laut Gerichtsakten ein „Bürgerparlament“ geben. Das klingt harmlos, doch würde dieses nicht – wie in jeder Demokratie selbstverständlich – von uns Österreichern gewählt, sondern von den Identitären „ausgerufen“. Was nur in Diktaturen vorkommt. Die Identitären bestreiten das als „aus dem Zusammenhang gerissene Zitate“. Ebenso leugnen sie ihr laut den Akten geplantes Vorhaben, im Extremfall Pressegebäude sowie Fernseh- und Radiosender zu besetzen. Welchen halbwegs vernünftigen Bezug kann es für solche Zitate geben? Keinen.
4) Sollte auch die Redaktion der „Krone“ besetzt werden? Klar, man kann sich über Artikel furchtbar ärgern. Doch wer die Freiheit und Vielfalt der Medien nicht anerkennt, fällt in die Kategorie Extremist. Zudem stellen die Identitären den Rechtsstaat infrage, der sie angeblich verfolgen würde. Das ist genauso typisch für Extremismus aller Art. Zugleich ist es lächerlich, weil die Identitären auf ein Urteil verweisen, dass sie vom Vorwurf einer kriminellen Vereinigung freigesprochen wurden. Meinen die damals 17 Angeklagten allen Ernstes, durch einen Freispruch verfolgt zu werden? Offenbar ist logisches Denken eine gewollte oder ungewollte Geistesschwäche dieser Gruppe.
5) Es zeigt sich, dass Extremismus nicht – wie von FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache anfangs unzureichend dargestellt – durch das Strafrecht bestimmt wird. In keinem Politiklexikon der Welt findet man einen Extremismusbegriff, der lautet: „Extremistisch ist, wer Verbrechen begeht.“ Denn man kann extremistische Gedanken haben, ohne zum Straftäter zu werden. Es darf schließlich jeder Spinner lautstark träumen, wie schön es wäre, durch Bankraub reich zu werden. Angeklagt wird er erst, wenn er sich an die konkrete Umsetzung eines solchen macht. Daher sind auch nicht alle demokratiefeindlichen Extremisten oder dummdreisten Radikalinskis automatisch straffällig.
6) Es wäre wunderbar einfach, ins Strafregister zu schauen und alle Extremisten auf einer Liste zu haben. Die Meinungsfreiheit endet aber frühestens beim Tatbestand der Verhetzung. Nach Paragraf 283 unseres Strafgesetzbuches ist Hetze, öffentlich (!) zu Gewalt oder Hass gegen Personen allein wegen deren Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Herkunft usw. aufzurufen oder anzustacheln. Im Umkehrschluss ist nicht strafbar, wer das „nur“ im privaten Rahmen tut. Eine extremistische Gesinnung zeigt es trotzdem. Egal, ob islamfeindliche Rechtsextremisten oder radikale Islamisten – sie alle sind potenzielle Gefährder. Der Begriff wurde für mögliche Terroristen eingeführt und meint Extremisten, die (noch) nichts angestellt haben.
7) Und wie wird festgelegt, wer genau als Extremist gilt? Von staatlicher Seite schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz einen jährlichen Bericht, worin die Identitäre Bewegung seit Langem vorkommt. Parteien müssen in ihrer politischen Abgrenzung mehr tun, weil sie eine Werte- und Gesinnungsgemeinschaft sind. Da will hoffentlich niemand Ähnlichkeiten mit Extremisten haben, die sich jahrelang im Umfeld verurteilter Neonazis bewegten.
Ach ja, und es gibt rechten und linken Extremismus. Doch ist es strunzdumm, wenn die einen auf die anderen hinweisen. Wo kämen wir hin, wenn jeder Übeltäter seine Untaten mit Hinweisen auf andere Übel verharmlost? Das Unrecht der einen Seite macht niemals das Unrecht der anderen Seiten gering.
Peter Filzmaier, Kronen Zeitung