Eine Analyse von Peter Filzmaier
Die Freiheitlichen waren von 2017 bis 2019 Regierungspartei. Der Auftritt von Heinz-Christian Strache in Ibiza als moralischer Totalversager setzte dem ein Ende. Es folgten Straches Spesenaffäre und ein Wahldebakel. Antisemitische und rassistische Widerlichkeiten sind aber schlimmer, weil obendrein menschenfeindlich.
Was einzelne Politiker der FPÖ seit 2017 belegbar getan haben, war nämlich auch das: Neben vielen Verflechtungen mit den rechtsextremen Identitären, deren Chef früher als Neonazi galt, war ein Blauer sogar in der neonazistischen Splittergruppe „Partei des Volkes“ aktiv. Auf Facebook wurde zur „Vereinigung“ Österreichs mit Deutschland aufgerufen. Ein blaues Mitglied des Tiroler Landesparteivorstandes brachte eine Tafel an, die an die „Heimkehr der Ostmark ins Reich“ erinnert. Zudem hatte er in einer Vitrine einen SS-Totenkopf ausgestellt.
Ein anderer Blauer beschimpfte in Eisenstadt Besucher des Jüdischen Museums als „Saujuden“. Vom Ortsparteichef, der die französischen Fußballweltmeister als „Kongoaffen“ bezeichnete, gar nicht zu reden. Hinzu kam jenes Blaumitglied im Innenministerium, das im Internet Videos von Modellflugzeugen mit Hakenkreuz verbreitete. Nun besitzt ein steirischer Nationalratsabgeordneter ein Liederbuch mit „Heil Hitler!“. Nachdem blaue Gemeinderäte lächerliche Thesen vertreten, das Wort Nazis sei eine Erfindung der Juden. Nein, es bezeichnet Mörder sowie deren Helfershelfer und Mitläufer.
Die FPÖ sieht das als Einzelfälle und will die Aufregung nicht verstehen. Als Reflex wird zur Ablenkung auf Unrecht bei anderen Parteien verwiesen. Oder man entwirft Verschwörungstheorien, dass die Kritik an Rechtsextremismus & Co. in der FPÖ nur vor Wahlen kommt. Was nachweislich nicht stimmt, sondern ein Dauerproblem der Partei darstellt. Doch vor der eigenen Tür will keiner kehren.
Obwohl die Partei 1956 von Anton Reinthaller als erstem Bundesparteiobmann gegründet wurde, der in der Nazizeit Staatssekretär in Berlin und SS-Brigadegeneral war. Obwohl auf Reinthaller von 1958 bis 1978 Friedrich Peter folgte. Dieser hatte sich freiwillig zur SS gemeldet und war als Obersturmführer in einer Einsatzgruppe, die systematisch hinter der Front Juden erschoss. Er bestritt das nicht, nur dass er persönlich beteiligt gewesen wäre.
Ja, all das soll ausdrücklich auf keinen Fall zu Pauschalurteilen (ver-)führen, dass in der FPÖ lauter verkappte Nazis, Antisemiten oder Rassisten wären. Doch wie kann der Partei das Verständnis fehlen, dass man deshalb zur besonderen Sensibilität im Umgang mit der eigenen Vergangenheit verpflichtet ist?
Warum wurde dazu der Endbericht der viel zu spät eingesetzten Historikerkommission auf den Sankt Nimmerleins-Tag verschoben, nachdem der Zwischenbericht von fast lauter befangenen Parteianhängern ein paar peinliche Zettel war? Was ist mit den rechtsrechten Schwachdenkern der Gegenwart? Ist es Ignoranz oder Dummheit, die Problematik nicht zu erkennen? Beides wäre schlimm.
Was aktuell den stolzen Liederbuchbesitzer betrifft: Der FPÖ-Abgeordnete Wolfgang Zanger ist Mitglied der Burschenschaft Pennales, die offenbar solche Machwerke mit zum Teil ekligen Texten gedruckt hat. Hier geht es nicht darum, ob ihm rund um das Gesangsbuch rechtlich etwas vorgeworfen werden kann. Doch Zangers Partei sieht sich ja gerne als Vertreter des kleinen Mannes. Ob eine Burschenschaft – in manchen davon säbelt man sich blutige Wunden – mit solchen Büchleins wirklich Alltag und Alltagssorgen der Österreicher versteht?
Was nun? Im Grunde sollte man die Sache nicht auf Wahlchancen reduzieren, denn es geht um unsere Demokratie. Doch am 24. November wählen die Steirer ihren Landtag. Ob das Ergebnis dadurch beeinflusst wird? Nicht unbedingt. Denn dass die FPÖ sich oft zu wenig vom rechten Rand abgrenzt, ist altbekannt. Wen das bisher nicht gestört hat, dem ist es vielleicht künftig genauso egal. Straches Großmannssucht mit den fetten Spesen wirkt da viel mehr.
Der steirische FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek – ja, er war das – hat aber einen Neuwahlantrag gestellt, um nicht auf den harten Oppositionsbänken sitzen zu bleiben. Der Ex-Minister hatte seit dem Regierungsende nicht viel zu tun und erhoffte sich einen Platz in der Landesregierung. Jetzt stellt sich seine Partei als Koalitionspartner ins Abseits. Kunasek und Freunde müssen nachdenken, ob der Antrag zur Unzeit nach Ibiza eine gute Idee war.
Apropos Demokratie: Auf Bundesebene hat sich die FPÖ in eine Warteschleife begeben und will in Wahrheit wieder regieren. Der in der letzten Koalition zu lange schweigende Sebastian Kurz dürfte allerdings wenig Lust haben, Woche für Woche ein antisemitisches Liederbuch, ein rassistisches Rattengedicht oder andere Unappetitlichkeiten kommentieren zu müssen. Dafür kann sich Norbert Hofer bei Herrn Zanger und Konsorten bedanken.
Posted: November 1st, 2019 under Allgemein.
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