UNENDLICHE WEITEN – Leseprobe 1
Einleitung
Die sieben Einheiten waren in einen nunmehr schon 100-jährigen Krieg verstrickt und auf der Flucht. Sie stellten den traurigen Rest einer einst so stolzen Raumflotte dar – gottlob hatten sie ihr Flaggschiff noch, als einziges unter einer ganzen Reihe von untergegangen Schwesterschiffen, die sämtlich mit dem griechischen α bezeichnet worden waren: Sirrah (sirrat al-faras oder Pferdenabel) im Sternbild Andromeda, Sualocin (Vorname latinisiert, „Nicolaus“ lautet rückwärts gelesen Sualocin) im „Delphin“, Thuban (tu‘ban oder Schlange) im „Drachen“, Dubhe (dubb oder Bär) im Sternbild Ursa Major, Acrux (A-Crux für Kreuz) im „Kreuz des Südens“, Beteigeuze (yad al-gauza‘) im „Orion“, Antares (bedeutet so viel wie Gegen-Ares) im „Skorpion“ und Sadal-melik (sa‘d al-malik oder Glücksstern des Königs) im „Wassermann“, desgleichen unzählige Fahrzeuge unterschiedlicher Provenienz – alle untergegangen im Malstrom der Geschichte.
Terra hatten sie, hoffnungslos und desaströs wie die Situation dort war, längst aufgegeben – dort war es mindestens auf 100.000 Jahre verstrahlt und verseucht. Kein Gebäude (nicht ein einziges), das nicht schwer in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Ganz zu schweigen von einer ganzen Fülle von Leichenbergen…
Den Admiral Mikhail (für seine Freunde Mischa) Mikhailowitsch Kurylenko konnte so leicht nichts mehr aus der Ruhe bringen. Aber das war für ihn zu viel, als er unter größten Anstrengungen die α-Canopus sowie die kleineren Kriegsschiffe – β-Miaplacidus, ε-Avior, ι-Turais, ω-Omega Carinae, χ-V382 Carinae und η-Eta Carinae – gerettet hatte – die Tränen standen ihm in den Augen…
Er wollte schon die Hoffnung aufgeben – davongekommen zu sein, bedeutete noch nicht die absolute Rettung –, als plötzlich hinter einem Fixstern ein bisher unbekannter, kleiner Planet auf den Bildschirmen auftauchte, in all seiner Pracht und Herrlichkeit: Eine neue Erde! Der Admiral ließ landen. Es gab keine Tiere, geschweige denn Menschen (jedenfalls soweit ersichtlich), nur Pflanzen – und Wasser, trinkbares Wasser, das noch dazu von ausgezeichneter Qualität war. Seine Mannschaft stürzte sich darauf – das bedeutete etwas anderes als die abgestandene Flüssigkeit, an die sie sich sonst gewöhnt hatten. Seine Signaloffizierin Pak Sang-Ook (sie stammte aus Korea) und sein Skipper, der tatsächliche Kapitän des Flaggschiffes, Juan Pablo Garcia Aspe, ein Mexikaner, hielten sich vornehm zurück, was ihr Glück war, denn dann brach die Hölle los.
Die Besatzungen gingen wie wild aufeinander los, wobei längst überwunden geglaubte Vorurteile wieder hochkamen – Rassenhass speziell, indem den Leuten erneut der Unterschied zwischen den verschiedenen Hautfarben bewusst wurde. Der Auslöser konnte nur im Wasser liegen, das war die einzige Möglichkeit, aber worin bestand eigentlich die vermutlich chemische Substanz, die das bewirkte.
Ein Sergeant namens Obayana Ositanachi, ein Nigerianer, der sich auch als so willensstark erwies, nicht gleich hinzustürzen, hatte die rettende Idee. „Frag‘ einen Sergeant!“, wie sich das in Kurylenkos Gedankenverknüpfung eingeprägt hatte, seit er als ganz junger Kadett domestiziert wurde. Allein Ositanachi kam nicht dazu, seinen „Brilliant Thought“ zu äußern…
Erster Abschnitt
Nihal-Fashid fand sein großes Vergnügen darin, Verwirrung zu stiften. Er oder sie oder es, kurz gesagt „Ψ”, war ein Wesen der vierten Dimension – Richtungen, die wir uns mit unserem auf die Erfassung von D3 ausgerichteten Verstand nicht vorstellen können. Im einfachsten Fall steht diese senkrecht, was immer das bedeutet, auf allen Richtungen, die wir uns vorstellen können.
Erweitern wir den Raum in diese Erstreckung, haben wir einen 4-dimensionalen Hyperraum beschrieben. Hierfür wird die w-Achse eines Koordinatensystems eingeführt mit der Ausdehnung nach ana (up toward) und kata (down from) – Begriffe geprägt von Charles Howard Hinton. Durch derart logische Überlegungen kann man errechnen, dass ein vierdimensionaler Hyper-Würfel (die Bezeichnung Tesserakt trifft’s wahrscheinlich besser) 16 Ecken, 32 Kanten, 24 Flächen und 8 Volumina besitzt.
Wie auch immer – Nihal-Fashid machte sich die Tatsache zunutze, dass seine/ihre/seine eigene Dimension den Besatzungsmitgliedern der sieben Einheiten (dem traurigen Rest einer einst so stolzen Raumflotte mit ihrem Admiral Mikhail Mikhailowitsch Kurylenko an der Spitze) unzugänglich waren. Ψ ist wahrscheinlich am besten zu verstehen, wenn man ihn mit einem Menschen unserer Dimensionalität vergleicht, den man seinerseits an den Möglichkeiten einer flächigen Kreatur misst. Klarerweise wäre dieser in der Lage, derartige Flächengeschöpfe völlig zu durchschauen und vor allem zu manipulieren.
So müsste Nihal-Fashid beispielsweise bloß eines von zwei Dreiecken aus deren gemeinsamer Lebensebene herausnehmen und in eine andere, räumlich versetzte Ebene transferieren: Dann würden die beiden einander nie mehr begegnen, was ihnen doch in ihrer Welt jederzeit freistünde. Genau das kann Ψ mit unsereinem tun, indem Ψ uns aus unserem Heimatraum entfernt und in einen ganz anderen, entlang der vierten Dimension verschobenen 3D-Raum wieder einfügt.
Abgesehen davon steht es Nihal-Fashid natürlich frei, sich in vielerlei Gestalten auch in D3 zu zeigen, wenn ihm danach war. Gerade die Tatsache aber, dass Ψ keine konkrete Gestalt nach unserem landläufigen Verständnis besaß, sondern fallweise in dem einen oder anderen Format auftrat, eröffnete natürlich eine Fülle von Interpretationen, deren Verfechter jeder für sich felsenfest überzeugt war, die seine sei die richtige.
Wenn ich mich in Ψs Lage versetze, denke ich, er müsse sich seit Beginn seiner Existenz stets einsam gefühlt haben, denn wenn man sich gleich eine Realität vorstellen könnte, die für Ψs Gegebenheiten wie geschaffen wäre, so ist es zwar nicht selbstverständlich, dass Ψ dort allein lebte, aber nur wenn das der Fall war, dann versteht man in gewisser Weise, dass andere Wesen zum Vergnügen benützte, offenbar nicht angekränkelt von irgendwelchen ethischen Bedenken.
Pak Sang-Ook entsann sich ihrer lange nicht gebrauchten telepathischen Fähigkeiten. Sie hoffte, Nihal-Fashid einigermaßen ausbremsen zu können, auch wenn Ψ quasi höherstand als sie. Sie wollte es ganz einfach versuchen – was sollte schon schiefgehen. Allerschlimmstenfalls waren sie und ihre Crew wieder dort, wo die Mannschaft sich am Ausgangspunkt befunden hatte. Es ist ja so, dass unsere Kultur (und ich meine damit die menschliche) dazu neigt, dem angeblich Absoluten und Endlosen relative und begrenzte irdische Eigenschaften zuzuweisen, die das Verständnis von nicht oder jedenfalls nicht einfach beschreibbaren Phänomenen erleichtern helfen.
Die Signaloffizierin schaffte es irgendwie, dass Ψ der Versuchung nicht wiederstehen konnte und sich in dem dreidimensionalen Format einer umwerfend schönen tief dekolletierten Dame zeigte – ganz hatte Nihal-Fashid eigentlich nie begriffen, was „Geschlecht“ im D3 bedeutet. Oder folgte Ψ instinktiv Sang-Ooks Phantasien von einer homoerotischen Beziehung, die sie jetzt erfolgreich geheim gehalten hatte. Egal – sie ließ sich in jedem Fall darauf ein, das war sie ihrem Team schuldig.
Nihal-Fashid umgarnte Sang-Ook, ohne letztlich zu wissen, was Ψ tat – es war alles sehr kompliziert! Ψ wusste aber genau, was diese atemberaubende Schönheit getan hätte. In dieser Rolle als Paradestück, das einen gefangen nehmen konnte, war allerdings alles klar.
Klar war ungeachtet dessen, dass Nihal-Fashid nicht sofort wieder in Ψs ursprüngliche Gestalt zurückkehren konnte. Das bedeutete eine Chance für die dreidimensionalen Menschen – es stand ihnen frei, sich zu rächen für das erlittene Unbill. Für Ψ war es eine neue Erfahrung, dass er künftig nicht so konnte, wie er wollte. Und so folgte Ψ Sang-Ook in das für ihn/sie/es unbekannte Terrain zwischenmenschlicher Beziehungen. Ψ war (vorübergehend?) Frau geworden. Sie warf sich Sang-Ook geradezu an den Hals, begierig nach neuen Erkentnissen.
Pak Sang-Ook hatte, wie gesagt, zivile Kleidung an, bauchfrei und kurz, sodass es Ψ nicht schwerfiel, sie zu begehren. Dann kam die Stunde der Wahrheit – Ψ musste sich ganz ausziehen. Das war eine ganz neue Erfahrung für sie, so nackt und bloß, für gewöhnlich war sie ein Geistwesen gewesen. Sie fand Gefallen an ihrer Nudität, die ihr keineswegs so lächerlich vorkam, wie noch soeben. Ja, sie genoss es geradezu und wollte gar nicht mehr damit aufhören. Außerdem musste sie mit Sang-Ook mithalten, die auch nicht ohne war. Die beiden „Frauen“ (wobei man bei Ψ nicht direkt von einer Frau sprechen konnte) gingen in einen engen Clinch über. „Zieh dich auch aus!“, lockte die falsche Frau. „Mit Vergnügen!“, sagte Sang-Ook.
Juan Pablo Garcia Aspe platzte dazwischen: „Die Besatzungen sind urplötzlich wieder normal!“, beruhigte er. Ψ kannte die Hintergründe, sagte aber nichts, da „sie“ sich nicht stören lassen wollte. Pak fühlte sich ebenso gestört: „Danke! Weitermachen!“ Aspe zog die Luft ein – das war ein Spielchen, das zwischen den Beiden ablief. Kompetenzproblem nannte man das. Er empfahl sich für diesmal angesichts der schlüpfrigen Situation. „Ich habe euch gerettet!“, rief Pak ihm nach.
Zweiter Abschnitt
Der Admiral schlief noch nach den Aufregungen der letzten Stunden. Er erwachte vom Duft des Kaffees, den ihm sein persönlicher Bursche gebracht hatte. „Das Wasser für die Zubereitung ist original von diesem Planeten – aber keine Angst, die Gefahr ist gebannt, was immer die ganze Misere ausgelöst haben sollte!“, sagte der Soldat. Er salutiere und ging ab durch die Mitte. Kurylenko ließ es sich schmecken, dazu ein Croissant.
Dann ging‘s los. Der Admiral hatte sich jede Begleitung verboten – er wollte auf eigene Faust einen Überblick verschaffen. Dabei geriet er eines von Ψs Lieblingsspielzeugen, einem Φ. Dank Paks Magie konnte es Kurylenko nichts anhaben, ja er zerstörte es sogar. Ψ musste tatenlos zusehen – es machte „ihr“ in der Situation gar nichts aus, sie war ja anderweitig beschäftig. Der Admiral ging weiter – dabei fiel auf, dass ihm besonders das Vogelgezwitscher seiner Heimat fehlte – außerdem war es längst dahin, und man konnte nicht alles haben. Auf der Suche nach Absonderlichkeiten, die einem gefährlich werden konnten, stieß er aber auf nichts weiteres. Er brach seine Erkundungen ab und begab sich wieder auf die α-Canopus – wo er Ψ, natürlich als Frau verkleidet, und Sang-Ook in inniger Umarmung vorfand. Kurylenko zog sich diskret zurück, er mochte wohl geahnt haben, wie die Dinge lagen.
Er wandte sich in seinem Privatquartier, das ihm als einem der wenigen zustand, der Geliebten zu, einem Maschinenwesen, das täuschend echt einer richtigen Frau ähnlich sah – er musste es nur einschalten. Er hatte sich für die Form des Sexuellen entschieden, zumal es in Fall des Falles, wenn es schnell gehen musste zu handeln, einfacher war – er musste sie nur ausschalten. Die originale Frau, davon abgesehen, konnte nicht anders sein – sie war einfach die perfekte Simulation der Vorlage. Obwohl schwer (sie hatte gut und gerne 200 Kilogramm) konnte sie sich anschmiegsam zeigen. Das gelang ihr dank eines ausgeklügelten Schwebemechanismus, den der Schöpfer dieses Wunderwerks persönlich entwickelt hatte. Sonst waren die wesentlichen Körperfunktionen, inklusive erotischer Bewegungen, aufrecht.
Der Admiral erging sich – ohne weitere Unterbrechung – an seiner künstlichen Persönlichkeit, und die spielte problemlos mit. Dafür war sie da und für sonst gar nichts. Dabei hatte Kurylenko übersehen (was bei einem Mann seines Kalibers nicht vorkommen dürfte), dass sein Maschinenwesen sich aus eigener Kraft weiterentwickelte, ohne dass ihm so klar war. Sie war hyperintelligent, im Wortsinn, das heißt, dass sie ihre Intelligenz unabhängig verändern konnte. Was zur Folge hatte, dass sie eigene Entscheidungen treffen konnte – und freiwillig bei ihm blieb, solange es sie freute. Von alldem wusste der Admiral selbstverständlich nichts. Er war halt auch nur ein Mensch – der geschmeichelt war, dass sie ein willfähriges Objekt seiner Begierde darstellte.
Kurylenko wurde auf die Brücke gerufen, und er deaktivierte sie so schnell, dass sie gar keine Möglichkeit sah, das zu verhindern. In der obersten Kommandozentrale wurde er schon erwartet – um ein Problem zu lösen, das in seiner Ausmaß zunächst überschaubar war, aber sich im Laufe der Zeit ausgewachsen hatte.
Dritter Abschnitt
Es ging um das Vorhandensein nicht bewilligter Software, die kürzlich in verstärkten Ausmaß angewendet wurde. Dabei war auch Kurylenkos Maschinenwesen ein Thema – nicht so sehr die grundsätzliche Programmierung betraf, als vielmehr das, was das intelligente Gerät aus eigenem hinzugefügt hatte. Der Admiral war im Zweifel, ob er das Wesen je wieder aktivieren sollte – aber in Erinnerung an die schönen Stunden, die es ihm beschert hatte, war er ein bisschen wehmütig. Obayana Ositanachi („Frag‘ einen Sergeant!“), der das Software-Projekt betreute, konnte Kurylenko aber beruhigen – er musste lediglich die Intelligenz auf ihr ursprüngliches Niveau zurückschrauben und dort behalten. „Eine Heidenarbeit!“, bemerkte Ositanachi süffisant. „Aber für sie, Herr Admiral, werde ich mich der Aufgabe unterziehen!“
„Tun Sie das!“, sagte Kurylenko, ohne auf die Subordination einzugehen. „Ich werde Ihnen nichts in den Weg legen!“ Er ärgerte sich insgeheim maßlos über das Verhalten eines Sergeants gegenüber seinem obersten Vorgesetzten. Aber dann gewann die Aussicht auf ein Wiedersehen mit seinem Wunderwerk die Oberhand, wenn es auch nicht so „subtil“ wie zuvor.
„Gibt‘s sonst noch etwas von Belang?“, bellte er. „Ich habe mich um anderes zu kümmern!“, fügte er hinzu. Still und leise dachte er schon wieder daran, SIE zu aktivieren. Um sich abzulenken, nahm er sich seinen persönlichen Laptop her und vergrub sich in seinen Job – es waren noch die Logbuch-Eintragungen der letzten Tage hinzuzufügen. Der Admiral begab sich anschließend in die Mensa, sowie jeder andere, obwohl er Anspruch auf seinen Platz in der Offiziersmesse gehabt hätte. Dort schäkerte er mit den Damen und Herren vom Bedienungspersonal bis SIE wieder zur Verfügung stand. Kurylenko stand auf. Es drängte ihn wieder in‘s Freie, wo er die ungewöhnliche Schönheit der Landschaft bewunderte – so musste die Erde einmal ausgesehen haben. Naheliegenderweise hatten die Crews spontan von TERRA II gesprochen.
Das Flaggschiff (die α-Canopus) und die übrigen Schiffe waren auf dem Planeten gelandet, nur die η-Eta Carinae umkreiste weiter auf einer Umlaufbahn den Himmelskörper. Zur Sicherheit – wenn sich ein Feind zeigte, hatte das Gros die Chance zum Wiederaufstieg, um den Kampf aufzunehmen. Und das war auch notwendig, denn die Gegner waren überall.
Vierter Abschnitt
Wie hatte der Großteil der stolzen Schiffe untergehen mussten: α-Sirrah, α-Sualocin, α-Thuban, α-Dubhe, α-Acrux, α-Beteigeuze, α-Antares und α-Sadal-melik waren zerstört und unwiederbringlich verloren – nur die α-Canopus hatte überlebt. Es mussten außerirdische Figuren sein, die, anders als Ψ, der/die/das hauptsächlich nur „spielen“ wollte, alles dem Erdboden gleich zu machen suchte. Der Admiral sann insgeheim auf Rache – er wusste nur nicht, wie er das genau anstellen sollte. Er wusste insbesondere nicht, welche Kapazitäten die Außerirdischen zur Verfügung hatten. Der Schaden, den sie bis jetzt angerichtet hatten, sprach Bände. Und nach 100 Jahren Krieg, wo sich die meisten Leute gar nicht mehr erinnern konnten, wann das jemals begonnen hatte, war eine gewisse Kriegsmüdigkeit festzustellen. Allein der Feind gab nicht nach – er musste über ungeheure Reserven verfügen. Das Problem waren die vielen kleinen Nadelstiche, bevor der Gegner wirklich zuschlug – sie hatten allesamt nicht richtig ausgemacht, wo die Gefahr herkam.
Egal, die Crews mussten sich zunächst regenerieren – zuviel hatten sie durchmachen müssen. Das ging den an sich Kampferprobten an die Nieren, sie waren nicht in der Form belastbar, wie es sich die Vorgesetzten vorgestellt hatten. Der Admiral war selbst ganz schlapp, er ließ es sich nur nicht anmerken. Er vergnügte sich wieder seinem Maschinenwesen, nachdem Sergeant Ositanachi ihm sein Spielzeug wieder ausgehändigt hatte. Er ging es leise an, und sie machte es willig mit. Er hatte es plötzlich überhaupt nicht mehr eilig – schaltete sie und ein, wann immer es ihm beliebte, schlief auch zwischenzeitlich den Schlaf der Gerechten. Sie war nicht so vielschichtig im Geiste (und beim Sex), wie er das gewohnt schien, aber das war der Preis dafür, dass er sie wiederhatte.
Und dann ging er wieder vor das Raumschiff, setzte sich an einem abgelegenen Platz, den er zu seinem Lieblingsort erklärt hatte, genoss die frische Luft und faulenzte. Wie schön wäre es, dachte er, wenn er seine Zelte auf Dauer hier aufschlagen würde, vor allem auf Grund der Tatsache, dass TERRA I auf lange Sicht, wenn nicht für immer, verloren war. Er würde als Bauer arbeiten, sowie es seine Vorfahren gemacht hatten – und glücklich und zufrieden sein. Vielleicht würde er sich unter den weiblichen Besatzungsmitgliedern eine richtige Frau suchen (statt des Maschinenwesens). Die Frau würde im günstigsten Fall sogar seine Neigung für die Landwirtschaft teilen…
Hirngespinste – warum eigentlich nicht? Wir hatten so viel Negatives erlebt, was wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnten. Warum sollten wir uns jetzt, wo es einigermaßen Positives zu vermelden gab, nicht darüber freuen.
Hirngespinste? Der Admiral und der Bauer, jedenfalls hintereinander. Der Admiral i.P., jetzt Bauer. Dafür gab immer noch Zeit. Kurylenko straffte sich, während er das Schiff betrat und sich von seinem Burschen einen Kaffee bringen. Dann bellte er seinen Befehle – das Ganze hatte nur den Zweck, die Mannschaft (beziehungsweise Frauenschaft) durcheinanderzuwirbeln. Als er sich ausgetobt hatte, kehrte wieder Ruhe ein.
Er ging in sein Quartier, wo er sich mit seinem Maschinenwesen vergnügte – allein sie ermöglichte nicht die erhoffte Entspannung. Eine seltsame Unruhe hatte ihn erfaßt und das bedeutete nichts Gutes, das wusste er aus den Erfahrungen seiner Karriere als Flottenoffizier.