Kapitel 6
SYMPATHIE
Kapitel 6 – Vers 1
Nach einem langen Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik war Schwarz wieder zu Hause – zwar nicht in seinem angestammten Heim, aber doch: insofern Waldi beschlossen hatte, ihn bei sich unterzubringen. Es war eine große Umstellung, von Wien-Floridsdorf nach Liesing zu übersiedeln, aber es blieb ihm keine Wahl, er musste schon froh sein, wenn ihn sie überhaupt aufnahm. Er konnte sich inzwischen in der Wohnung relativ frei bewegen, mittels eines Stockes, aber immerhin. Mithin hatte sich nicht bewahrheitet, was ihm als das Schlimmste angekündigt worden war – dass er sich künftig vollständig im Rollstuhl fortbewegen müsste.
Waldi hatte viel zu tun und sie war die meiste Zeit abwesend. Und so blieb Schwarz allein, schaute fern, was ihm allerdings bald auf die Nerven ging – das Programm war unter aller Kanone. Als einer, der vor dem Schlaganfall sehr oft Sex gehabt hatte (wenn auch nicht unbedingt mit seiner Angetrauten), verspürte er plötzlich wieder Regungen in diese Richtung.
Viele Patienten berichten, dass das Thema „Sex“ bei Gesprächen mit dem ärztlichen Personal im Krankenhaus nicht thematisiert wird – zu viele andere Fragen stehen im Vordergrund. Oft trauen sich Patienten aus Scham nicht, danach zu fragen. Die Frage, ob ein Patient oder eine Patientin nach dem Schlaganfall den sexuellen Bedürfnissen nachgehen kann, stellt sich in der Regel erst nach der Rückkehr in sein oder ihr gewohntes Lebensumfeld, wo auch das geschlechtliche Begehren wieder auflebt. Bei männlichen wie weiblichen Patienten ist das Verlangen kaum beeinträchtigt, namentlich wenn die Erektionsfähigkeit des Mannes in der Regel auch nach dem Schlaganfall erhalten bleibt.
Dennoch schildern einige Patienten, dass ihre Libido vermindert sei. Dies liegt zum Teil daran, dass Medikamente wie zum Beispiel Blutdrucksenker oder Gerinnungshemmer potenzmindernd wirken können. Der Lustmangel (und das stellt die Hauptursache dafür dar) hat jedoch auch psychische Ursachen, insofern die Betroffenen sich für ihre Behinderung schämen oder fürchten, abgelehnt zu werden. Die Angst, durch sexuelle Aktivität einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, ist übrigens unbegründet.
Jetzt kommen zu einem heiklen Punkt – ob Sie’s glauben oder nicht: Waldi hatte sich bereit erklärt, unter anderen Umständen, wie das seinerzeit der Fall gewesen war (wo die Initiative von ihr ausgegangen war), mit ihrem Vater ins Bett zu steigen. Sie reagierte ausgesprochen gehemmt – ganz anders als die Partnerin eines Schlaganfall-Patienten, die dessen Unsicherheit auffangen sollte. Für eine normale Partnerin gilt: Liebe und Vertrauen zeigen, Berührungen, Zärtlichkeit, Umarmungen, jedes Zeichen von Zuneigung kann dem Betroffenen helfen, Selbstzweifel und Hemmnisse zu überwinden. All das war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Anders als bei den ersten Begegnungen der beiden vor geraumer Zeit verlief ihr Zusammensein – jedenfalls aus Waldis Sicht – rein geschäftsmäßig.
Während sie temporibus illis kein Kind von Traurigkeit gewesen war – sie hatte bereits vor einigen Jahren gemerkt, dass sie Männer verführen und zum Wahnsinn treiben konnte. Mit vierzehn hatte Waldi einen siebzehnjährigen Burschen angebaggert, der eigentlich als ihr Babysitter eingestellt war. Die „Mami“ hatte den Youngster kommen lassen, um auf sie aufzupassen, weil seine Schwester, die sonst immer kam, krank war, und weil er ein furchtbar netter Junge war, von dem man niemals geglaubt hätte, dass er bei einem kleinen Mädchen auf dumme Gedanken kommen könnte. Das wäre er auch nicht normalerweise, aber Waldi war kein normales kleines Mädchen.
Schon damals benutzte sie dieselbe Taktik, die sie auch später beibehielt: ein zunächst unschuldiges Flirten. Sie lag auf dem Teppich vor dem Fernseher, hatte nur einen Stringtanga an und darüber ein längeres T-Shirt. Langsam und wie zufällig rutschte das Hemd ihre Oberschenkel hinauf, bis der Bursch eine gute Aussicht auf ihren Slip kosten konnte. Sie sah sein Spiegelbild im Fernseher, weil er hinter ihr in einem Sessel saß. Sie stand auf, um in das Badezimmer zu gehen und als sie zurückkam, hatte sie unter ihrem Hemd nichts mehr an. Sie ließ ihr Hemd wieder wie ungewollt hochrutschen, bis er gar nicht anders konnte, als ihren kindlichen prallen Po zu sehen. Als sie ganz sicher war, dass er wie gebannt auf ihren Hintern starrte, zog sie beide Beine an und spreizte sie, so dass er ihr kleines unbehaartes Geschlecht deutlich sehen konnte.
Das lag lange hinter Waldtraud Schwarz – sie hatte sie sich unterdessen voll auf ihr Studium konzentriert und hatte Anspielungen, die sich auf ihre frühere Freizügigkeit bezogen, à la „Schwein – Mediziner – Medizinerin“ geflissentlich überhört. Und dann machte sie ihre Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten auf.
Was Erich Mergenthaler ausgerechnet in Waldis Ordination zu suchen hatte – vielleicht visierte er etwas an, was weit vom Schuss lag, sowohl von seiner Wohnung an der Oberen Alten Donau, als auch von seiner Dienststelle in der Laimgrubengasse. Mir hat er ja nie verraten, was der Grund für seinen Besuch gewesen könnte – ich wusste nur in meiner Funktion als Erzähler des Ganzen was davon (es handelte sich um relativ harmlose Infektion, die spektakulärer aussah als sie war). Dr. Schwarz half rasch und effizient. Und dann nach ein paar Mal, als es mit der Behandlung schon fast zu Ende war, nahm sie sich ein Herz und fragte ihn, ob sie ihn auf einen Kaffee einladen dürfte.
„Sehr gerne!“, sagte Mergenthaler sardonisch – hier konnte er seine britische Art nicht zurückhalten. Aber Waldi hatte sich bereits zu weit vorgewagt (so sah sie es jedenfalls an), um sich noch aufhalten zu lassen. Sie war so richtig heiß geworden – keine Spur mehr von früheren Minderwertigkeitskomplexen, keine Spur mehr vor allem vom Borderline-Syndrom, wozu auch meine Cora in mühevoller Kleinarbeit beigetragen hatte (von all dem erfuhr ich erst relativ spät). Sie ließ sich durch seine Spottlust nicht beirren, zumal sie mit zunehmendem Alter immer schöner und schöner wurde.
Waldi hielt sich nicht mit Peanuts auf – wenn sie einen Kerl wirklich mochte (und sie war mittlerweile sehr wählerisch), machte sie nicht viel Federlesens. Sie hatte mit sicherem Blick seine Schwachstelle, die Satyriasis, erkannt (wozu ihr das frühere Psychiatriestudium sehr diente), und es machte ihr nicht das Geringste aus. So kam es, wie es kommen musste: Sie verliebten unsterblich sich ineinander!
Bedingung war, dass der arme Schwarz senior (nennen wir es einmal so) bedient werden musste – „um allfälligen Wahnsinnstaten vorzubeugen“. Das einzige Zugeständnis gegenüber Erich war, dass der Kontakt zwischen Vater und Tochter auf einen Tag im Monat beschränkt wurde. Schwarz schien’s zufrieden – wenn er nur nicht völlig abgeschnitten war von jeder sexuellen Befriedigung. Mergen-thaler machte es entschieden nichts – im Gegenteil es turnte ihn an.
Waldi hatte sich diesbezüglich etwas Besonderes ausgedacht – „wenn wir es schon zusammen machen, könntest du dir doch vorstellen, dass ich deine Tochter bin. Hast du noch niemals davon geträumt, es mit deiner Tochter zu machen?“ Abgesehen von der Tatsache, dass er gar keine Kinder hatte, konnte er sich das sehr wohl vorstellen. Schmerzhaft wurde ihm bei dieser Gelegenheit eine Sekunde lang bewusst, dass er wirklich ihr Vater sein konnte. Aber Waldi ließ keine Trauer aufkommen…
Sie kokettierte gern, was angesichts ihres Arbeitsmantels, der tiefe Einblicke gewährte, auch nicht schwer war. Mergenthaler sah ihre leicht gespreizten Beine, die gerade weit genug auseinander standen, um den Zwickel ihres Höschens und ihre glatten, weißen Oberschenkel zu zeigen. Ein paar Mal hatte sie anscheinend seinen Blick aufgefangen, aber sie machte trotzdem keine Bemerkung, sondern zwinkerte ihm nur leicht zu und lächelte.
Ganz heiser fragte er sie: „Macht das hier normalerweise dein Freund?“ Sie legte ihre Hand auf seinen Schritt und streichelte leicht darüber. „Weil die Jungen in meinem Alter nicht so gut ausgestattet sind!“ Sie kicherte. „Deshalb mag ich lieber ältere Männer.“
Erich war nun vollkommen außer sich. Noch selten zuvor war er so geil gewesen. Während er sie weiter liebkoste, bewegte Waldi ihren wohlgeformten Hintern und er sah, wie sie genauso aufgeregt wurde – also stand er auf und zog seine Hose aus. Zum ersten Mal sah sie ihn nackt, und um es ihm gleichzumachen, zog sie ihren Kittel aus und zeigte ihm ihre kleinen festen Brüste, die von keinem BH eingesperrt waren. Ihre Beine umschlangen ihn kraftvoll.
Kapitel 6 – Vers 2
Mit einer gewissen Verwunderung mussten wir feststellten, dass wir ewig nichts von Marianus Tulzer und seiner Katherina wahrgenommen haben (wie das der Monsignore in seiner gehobenen Sprache ausdrücken würde). Die lange Verzögerung ergibt sich zu recht, wie mir bei näheren Hinsehen erscheint: Die verlustierten sich in Zweisamkeit – da hatte keine andere beziehungsweise kein anderer Platz.
Tulzer erlangte in Innsbruck (warum soll man den Ort nicht nennen) eine Anstellung als Religionslehrer am Akademischen Gymnasium – wieder ein Akademisches Gymnasium wie in Wien, unter dem geben wir es offenbar nicht. Er unterrichtete sechs Wochenstunden bei vollen Bezügen, was wollte er mehr. Der Orden hatte voll für ihn gesorgt, um ihn loszuwerden, möglichst geräuschlos und kein Aufsehen erregend.
Das Innsbrucker Institut ist ein humanistisches Gymnasium und wurde, als Lateinschule der Jesuiten, 1562 gegründet, und ist damit die drittälteste der fünf derartigen Einrichtungen in Österreich und zählt damit zu den ältesten Schulen im deutschsprachigen Raum. Die Anstalt befindet sich in der Angerzellgasse und damit nicht weit von der augenblicklichen Adresse in der Stiftgasse – Marianus brauchte keine zehn Minuten zu Fuß, um zu seiner neuen Wirkungsstätte zu gelangen.
Dort hatte er vorgesorgt. Die Wohnung wies nach außen hin zwei Eingänge auf, die vollständig voneinander getrennt waren. Tief im Inneren gab es sehr wohl einen Durchgang, wenn es Tulzer in der Nacht zu Katherina hinzog (das war nahezu täglich der Fall) – abgesehen von ihrer offiziellen Beziehung als Köchin und Bekochtem, und was sonst noch anfiel an niederen Diensten, denn für einen hochwürdigsten Herrn kamen derlei Dinge nicht in Frage. Der Orden, der wie gesagt nicht genannt werden sollte (um die einigermaßen normalen Brüder zu schützen), hatte umfangreichen Waldbesitz und daher konnten sie es sich leisten, für ein standesgemäßes Leben – allerdings weit vom Schuss – sorgen.
Marianus war eine lange Zeit völlig zufrieden mit seiner nunmehrigen Situation. Katherina hielt ihn ordentlich auf Trab, sie war ein unverbrauchtes Bauernmädel – „Homo sum: humani nil a me alienum puto!“, wie es Tulzer in seiner oftmals gespreizten Art auszudrücken pflegte, Terenz mit seinem Werk „Heautontimoroumenos“ zitierend. Seine Freundin zog ihn dergestalt immer auf: „Du mit Deinem Latein!“, sagte sie abwertend. Das machte ihm natürlich nichts aus, für den Fall, dass sie allein waren – und sie traten praktisch nie gemeinsam auf.
Als Marianus sich ein bisschen am Gymnasium akklimatisiert hatte, ergab sich unter dem Titel „Geistliche Betreuung von Jugendlichen“ das eine oder andere Gespräch, vorwiegend mit männlichen Halbwüchsigen zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr, während sich das Interesse an weiblichen Personen der gleichen Altersstufe in engen Grenzen hielt (dafür hatte Tulzer ja Katherina, die im Verborgenen blühte). Übrigens war das ganz anders mit den jungen Damen – sie himmelten ihn an, eine schlanke, großgewachsene Gestalt, mit grauen Schläfen, die jede von ihnen erzittern ließ.
Wie dem auch sei, Marianus hatte nur Augen für seine Favoritin, die ihm zeigen durfte, was Liebe auch bedeuten konnte. Das dankte er mit einer geradezu hündischen zu nennenden Anhänglichkeit, um nicht sagen Abhängigkeit, die einer Drogensucht nicht unähnlich war. Aber sonst sah er sich zunehmend unter den maskulinen Youngsters um, was Katherina keinesfalls störte – sie hielt bei dieser Gelegenheit ihre Türe in ihren Teil der Wohnung verschlossen.
Nebenbei gesagt: Während es in ihrem Bereich mehr als behaglich war (sie hatte sich zum Beispiel eine Bauernstube eingerichtet), erwies sich die Tulzer’sche Unterkunft als relativ spartanisch. Das zeigte genau die Szene, wie sie einem Gottesmann und Seelenhirten zu Gesicht stand.
Ein anspruchsloses Vorzimmer, von dem man gleich links auf einen größeren Raum stieß, mit einem einfachen Sofa, zwei gepolsterten Sesseln und einem Bücherregal sowie einer Thermosflasche, aus der Earl Grey duftete – was anderes bekamen die Gäste nicht zu sehen. Und da war an prominenter Stelle ein Betpult,
das ist ein tischartiges Gestell zum Knien und Aufstützen der Arme bei der Anrufung Gottes. Benützt wurde dieser (abgesehen vom Gebrauch durch Marianus selbst) von den Schülern seiner drei Klassen, die er hierher lockte – unter dem Vorwand, dass es hier ungezwungener verlief als im Beichtstuhl.
Dabei vergriff er sich, wie gesagt, niemals an den Mädchen, so sehr namentlich die Älteren unter ihnen sich das gewünscht hätten. Sehr wohl trieb er sein Schindluder aber an den Burschen, und hier wieder vorwiegend an den Jüngeren – da mochten unschickliche „Ius primae noctis“-Überlegungen eine Rolle gespielt haben.
Dabei ließ Tulzer die Sitte der Penis-Begutachtung wieder aufleben, aber anders als bei Fabian ging er mit Rücksicht auf Katherina nicht weiter. Jedenfalls nicht weiter, als dass er eine Ejakulation auf seine Handflächen zuließ – zu groß war seine Angst, die Erwählte würde ihn im Stich lassen, wenn er sich die Freiheit zu mehr nahm. Dazu bestand allerdings kein Anlass, aber das wusste er nicht – Katherina gab in weiblicher Schläue nicht alle Karten aus der Hand. Sie war sich selbst genug, sie band sich wegen einer leidvollen Erfahrung erst, wenn sie mit sich selbst zufrieden war.
Das einschneidende Erlebnis hatte Katherina mit Perwonatschaljnow gehabt, nämlich den Verlust der Jungfräulichkeit, und von dem Moment war ihr Entschluss festgestanden, dass nie wieder ein Mann gegen ihren Willen auf ihr herumtrampeln sollte. Zwar hatte sie auf Grund ihrer Jugend die Sache nahezu ohne Blessuren verwunden, aber sie war auf der Hut. Eisern behielt sie das Ziel im Auge, ihre Selbstzufriedenheit, wenn sie sie einmal in ihrem Leben – als Single – wiedererlangt hatte, bei der nächsten Beziehung beizubehalten.
Da kam ihr Tulzer gerade recht. Ein Typ, der zwar mit Knaben konnte, aber sonst schon nichts – außer seinem hohlen Pathos und seiner zweifelhaften Getragenheit. Sie war einwandfrei im Vorteil, kurioserweise dank Pjotr, der ihr in der knappen zur Verfügung stehenden Zeit das Wesentliche beigebracht hatte – nämlich die jähe Erkenntnis, sich fürderhin von keinem männlichen Wesen Schandtaten aufzwingen zu lassen.
Sei dem wie dem sei – da braute sich schon wieder etwas zusammen, was weder Katherina noch Marianus vorhersehen konnten. Der Direktor zitierte eines schönen Tages Tulzer zu sich. „Es gab Beschwerden über Sie!“ Das sagte er mit einer gewissen inneren Befriedigung. Er hatte den Religionslehrer nie wirklich ausstehen können – abgesehen davon, dass dieser ihm aufgezwungen wurde, was einen Schulleiter nie freut. „Die Beschwerden beziehen sich darauf, was Sie in ihrer Privatzeit ‚aufführen‘. Da ist die Rede von nicht genau bestimmbaren sexuellen Handlungen – was sagen Sie dazu?“
Marianus reagierte einigermaßen unmutig: „Das fällt unter das Beichtgeheimnis, wenn ich mich irre!“
„Dann muss ich noch deutlicher werden: Sie werden beschuldigt, eine laufend Ejakulationen bei ihren ‚Schützlingen‘ ausgelöst zu haben – belegt durch die glaubwürdige Aussage von drei Ihrer Schüler, die unter den elterlichen Vorhaltungen sozusagen zusammengebrochen sind. Es bleibt mir daher nichts anderes über, als Sie zu suspendieren, so leid mir das persönlich tut.“ Die Ironie, die in seinen Worten lag, war nicht zu überhören…
Nun setzte eine verzweifelte Suche seines Ordens nach einem künftigen Verwendungszweck für den gefallenen Mitbruder ein. Nach oben – soviel stand fest. Für einen Monsignore gab es nur diesen einen Weg der Versetzung. Nach langem Hin und Her hatte einer der Patres eine Königsidee. Warum Tulzer nicht nach Rom abschieben.
Kapitel 6 – Vers 3/Vers 4
(under construction)
Kapitel 6 – Vers 5
Miss Amy Huxtable hatte sich längst von ihrer Mutter losgesagt und war ihre eigenen Wege gegangen, und abenteuerliche noch dazu. Sie tanzte im „Pussycat Lounge“, einem nicht sehr renommierten (um es milde auszudrücken) Etablissement im Stadtteil Tribeca („Triangle Below Canal Street“). Die Ehefrau des legendären Heathcliff „Cliff” Huxtable hatte beim gar nicht schönen Abschied beziehungsvoll gesagt: „Wie dein Vater –“ und sich um die Tochter von Stund‘ an nicht weiter geschert. Amy war durch und durch nicht mehr länger der Typ All American Girl, sondern zeigte deutliche Symptome von verruchter Handlungsweise, ähnlich ihrer europäischen Schwester, gemeint ist natürlich die liebe Waldi, die sie insgeheim heiß bewundert hatte.
Pjotr Perwonatschaljnow hatte Eiligeres zu tun, als kurz nach seinem Eintreffen am New Yorker Flughafen JFK und nachdem er im Hotel „Tribeca Grand“ in der Ave Of The Americas eingecheckt hatte, schnurstracks in der Vergnügungsstätte in der Greenwich Street aufzutauchen, wo er gerade rechtzeitig zur Performance von Miss Velvet Palace (vulgo Amy Huxtable) erschien. Nachzutragen wäre noch, dass er mit seinem engeren Tross – Cesarine und Charlot – aus Wien kommend via Frankfurt angekommen war.
Mittlerweile fraßen ihm die einschlägigen Agenturen aus der Hand, ließen alles mit sich geschehen – nur um den berühmten Mann einmal zu bekommen. So war auch Charlots Prophezeiung, dass der Fotograf noch ganz groß ’rauskommen würde, und folglich er und Cesarine mit Petja, wie sie ihn unterdes nennen durften, was ein unheimliches Privileg darstellte. Sie waren inzwischen seitens „Pjotr Inc.“ auf den Cayman Islands angemeldet, was immense steuerliche Vorteile und vielfache Gestaltungsmöglichkeiten bot.
Doch zunächst zurück zu Miss Velvet Palace. Sie hatte sich ordentlich herausgemausert, bildschön, wenn auch ein klein wenig vulgär, aber das gehörte zu ihrer jetzigen Profession. Sie hatte natürlich von Pjotr Perwonatschaljnow gehört – wer kannte den in der Zwischenzeit nicht –, und da stand er plötzlich nach ihrem Auftritt in ihrer Garderobe, die sie nebenbei gesagt niemals absperrte, sodass jeder, der wollte, sie in beliebigen Stadien der Bekleidung (oder besser Nicht-Bekleidung) sehen vermochte.
Stand einfach da und sagte frech – da er sich gewiss sein konnte, dass Velvet ohne Zögern und ohne Umschweife zu machen, ja zu seinem Vorschlag sagen würde: „Willst du mir Modell stehen?“
Und nach einer kleinen Kunstpause: „Du hast die perfekte Statur für meinen Zweck, was sage ich, ein körperliches Erscheinungsbild, so fulminant und makellos, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt habe.“ An dieser Stelle erhob die derart Gelobte Einspruch: „Viel davon ist absolut Schminke –“ „Und vieles auch wieder nicht!“ Petja ließ sich seine Illusion nicht so leicht zerstören – ganz im Gegenteil!
Und wirklich: Cesarine verzauberte Miss Velvet Palace in eine esoterische Gestalt nach allen Regeln ihrer Kunst, und die war wirklich inzwischen Spitzenklasse. Pjotr drehte zunächst ein Video, um einen Eindruck von den Möglichkeiten der Sequenz zu bekommen. Im Business-Kostüm mit langer Hose startete die Vorstellung, wobei die lasziven Bewegungen des Showgirls von vornherein nicht zu ihrem zunächst kühl wirkenden Gig zu passen schienen. Dann ging es rasch ans Eingemachte – als Erstes flog der Hut fort, worauf sich eine rote Mähne über die Schultern der Darstellerin ergoss. Als Nächstes folgte das Beinkleid, worauf ein kunstvoll gearbeiteter Slip, respektive eine Andeutung davon, hervorlugte, wieder begleitet von den aufreizenden Kommotionen.
Dann reihten sich das Sakko beziehungsweise eine Schalkrawatte zu den achtlos hingeworfenen Sachen, und das Hemd gehörte ebenfalls zu den leichtfertig fallengelassenen Bekleidungsstücken: zum Vorschein kamen jetzt tatsächlich Dessous – ein BH und ein Höschen – vom allerfeinsten, golddurchsetzt, glänzend und schillernd. Damit nicht genug! Als Clou waren jetzt sogenannte „Nipple Covers“ in Herzform und dazu gesellte sich (wie poetisch ausgedrückt) ein Ministring, das ist ein spezielles Modell eines String-Tangas, das aus besonders wenig Stoff besteht und extrem knapp geschnitten wird.
Pjotr machte sich daran, die besten Szenen mit seiner Hasselblad „einzufrieren“, was für Amy bedeutete, das Ganze noch einmal zu spielen – das war gar nicht einfach für die Performerin, denn sie wollte beim zweiten Durchgang nicht schlechter dastehen wie beim ersten. Sie bemühte sich redlich und es gelang ihr auch perfekt, unterstützt durch Cesarine, die immer wieder das Make-up auffrischte (zum Schluss war es schon eine Tutta la forza-Maquillage) und Charlot, der beleuchtungstechnisch sein Möglichstes tat (und das beinhaltete eine Fülle an Kunstgriffen, wie wir mittlerweile wissen).
Miss Velvet Palace war zu guter Letzt fix und fertig. Sie lud Pjotr spontan – natürlich ohne Cesarine und Charlot – in ihr mehr als bescheidenes Heim in Queens ein. Queens weist, selbst für New Yorker Verhältnisse, eine sehr große ethnische Vielfalt auf, sagen wir’s einmal so. Die Bewohner des Stadtteils kommen aus 100 verschiedenen Nationen und sprechen 168 verschiedene Sprachen, wobei knappe fünfzig Prozent außerhalb der Vereinigten Staaten geboren wurden. Gut 25 % der Bevölkerung sind nicht-hispanische Weiße, weitere gut 25 % sind Hispanics, etwas weniger als 25 % sind Asiaten und 20 % Schwarze. Dementsprechend sollte man in Queens nicht aufsuchen: Hunters Point, Lindenwood, Glendale, Woodhaven, Ozone Park oder Ridgewood.
Amy wohnte, wie gesagt, mehr als schlichten Appartement, das aber in seiner Einfachheit geschmackvoll ausgestattet war, in einer der besseren Gegenden von Queens, nämlich im Community District 1 – Astoria, benannt nach dem weiland reichsten Mann der Welt, John Jacob Astor, der allerdings nie in seinem Leben einen Fuß in den Stadtteil setzte, der seinen Namen trug. Miss Huxtable bat Perwonatschaljnow herein – der fühlte sich vom ersten Augenblick an wohl in ihrer Behaglichkeit. Sie hatte auch in ihrem nicht extrem geschminkten Zustand, in ihrem sozusagen zivilen Status, ihre Reize, und das machte ihn ganz wahnsinnig.
Sie hatte mariniertes Fleisch vom Grill (Barbecue, in den USA auch BBQ oder Bar-B-Que) vorbereitet, das sie geschmackvoll anrichtete, ganz im Gegensatz zu der in Amerika herrschenden Unkultur – statt Pappbecher und Wegwerfgeschirr regierten hier ordentliches Bestecke und Stoffservietten, nicht zu vergessen die sorgfältig ausgesuchten Gläser. Petja war gar nicht zum Essen zumute, wollte in der üblichen Manier gleich über sie herfallen, aber er hielt sich diesmal, wie durch ein Wunder, zurück und aß brav und sittsam. Es war alles komplett anders als sonst.
Und als er dann nach einer für ihn unüblich langen Zeitspanne eindeutig faunischen Gelüsten zuwandte, da stellte er fest, dass Amy noch Jungfrau war – trotz ihres sinnenhaften Lebenswandels. Pjotr ging, ich muss es noch einmal betonen, vorsichtig vor. Er hatte noch nie eine Dame besessen, die sexuell unberührt war – und dementsprechend legte er auch ein sehr vorsichtiges, gewundenes Verhalten an den Tag. Insgeheim reizte ihn das ungeheuerlich – es war ja quasi sein erstes Mal.
Es dürfte aber gut ausgegangen sein und auch Amy schien am Ende zufrieden gewesen sein. Pjotr zeigte sich völlig verfallen in seine neue Flamme. Er zog mit ihrem begeisterten Einverständnis bei ihr ein, holte sein Gepäck kurzerhand aus dem Hotel – Cesarine und Charlot würden schon selbst helfen, und so lief es auch normalerweise ab. Nur dass er einen Gedanken an die beiden verschwendete, war eine echte Sensation. Er sorgte sich plötzlich um ihr Wohlergehen, was bei den beiden gemischte Gefühle auslöste – welcher Umstand das wohl hervorgerufen hatte. Aber egal, sie kümmerten sich um ihren eigenen Kaffee.
Pjotr Perwonatschaljnow ging mit Miss Velvet Palace ins „Pussycat Lounge“, wo sie sich überschlugen an Bewunderung für den berühmten Fotografen – nicht zuletzt die Publicity im Auge, die dem zweifelhaften Nachtlokal einen exorbitanten Aufschwung verlieh. Sie rechneten sich als Ehre an, dass er ihren Star mitnahm „zu höheren Ehren“, wie sie sagten.
Er besuchte schnurstracks mit Amy den Flushing Meadows Corona Park, die mit 898 Acre größte Gartenanlage in Queens wurde anlässlich der Weltausstellung 1939/1940 erbaut und beherbergte auch die Weltausstellung 1964/1965. International bekannt ist er durch das Tennisturnier US Open, das auf dem Areal stattfindet. Pjotr verbarg allerdings seine Enttäuschung darüber nicht: im Vergleich dazu, was er schon in anderen Erdteilen gesehen hatte, nahm sich dieser Park mickrig aus.
Daher nichts wie nach Hause – mit Amy im Schlepptau, die nicht anders konnte, als sich ihm anschließen…
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(under construction)