Agatha Collins – Unter Wasser
Abgesehen von ihrem nicht sehr spannenden Job in der P.R.-Branche, arbeitete Agatha Collins nunmehr ganz offiziell als Privatdetektivin. Der zweite Beruf führte sie eines Tages in die Welt des Varietés.
Sie führte verdeckte Ermittlungen im Zusammenhang des Verdachts, dass Hedy (Künstlerinnenname Henny) durch Anton (Künstlername Omar), ihren Partner, ins Jenseits befördert werden sollte. Die Beiden traten gemeinsam in einer komplizierten Applikation, wobei Omar der wesentlich einfachere Part zufiel – er musste nur zuschauen und die Zeit messen. Henny aber musste sich in einem mit Wasser gefüllten Tank verfügen und in diesem untertauchen. Als zusätzlicher Stimulus dienten Ketten, die mit unauflöslich erscheinenden Schlössern verbunden waren.
Omar missachtete fallweise komplett die Hilferufe, die ihm Henny zusandte – dies fiel ihm umso leichter, als sie unter Wasser sich schlecht bemerkbar machen konnte. Ja, es bereitete ihm sogar diebisches Vergnügen, sie zu quälen. Henny aber brauchte das Geld bitter notwendig, da sie sonnst nichts gelernt hatte – sie war ein Zirkuskind durch und durch. Und so übte sie, schrittweise die Luft anzuhalten – 3 Minuten – 4 Minuten – ein großes Unterfangen: 7 Minuten – 8 Minuten und so weiter. Omar trieb sie voran: Wenn sie 8 Minuten geschafft hatte, war er schon wieder weiter. Und er hielt den Deckel darauf, selbst wenn sie die Ketten und Schlösser losgeworden war – bis sie walk-over geben musste. Sie ertrank lautlos, nur einige Luftblasen stiegen auf…
Omar verneinte, dass dies absichtlich geschehen war und man konnte es ihm nicht nachweisen, ja, er bedauerte es ohrenbetäubend seine Unschuld. Und übergangslos hinzuzufügen, was jetzt mit seiner tollen Performance geschehen sollte – er wollte sie weiterführen, aber Henny fehlte. Man schlug ihm vor, dass er die Nummer fortsetzen sollte, mit ihm als Hauptfigur. Er widersprach vehement, es musste eine Dame sein, denn wer würde sich einen Mann anschauen. Man gab ihm zuletzt recht, aber da war guten Rat teuer: Wer sollte das sein? Es bot sich Agatha an – in ihrer verdeckten Rolle. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie Omar überführen sollte, aber das hinderte sie nicht daran, es zumindest einmal zu versuchen. Ein bisschen Schiss hatte sie schon, zumal wenn sie sich die 8 Minuten von Henny vor Augen führte, aber sie versuchte, nicht daran zu denken.
Omar gedachte seine Spielchen fortzusetzen, nicht ahnend, dass ihn eine Privatdetektivin verfolgte. Er war ein richtiger Halunke, ein Chauvischwein. Es war ihm jede negative Nachrede egal – sie spornte ihn geradezu an, seine Bösartigkeit hervorzukehren. Keine allzu guten Vorzeichen für Agatha, für ihren speziellen Auftrag, der darin bestand, dass sie im Bikini herumturnen musste. Hinzuzufügen wäre es, dass dieser Badeanzug äußerst knapp bemessen war (er hatte schon Henny gedient), äußerst knapp, sodass nur ein Faden bei seinem Ober- und Unterteil zu sehen war. Gottlob hatte Agatha die entsprechende Figur danach – sie musste sich nicht schämen. Aber das war ihr geringstes Problem. Mehr Sorgen bereitete ihr die Tatsache, dass sie nicht wusste, wie sie es aushalten, so lange unter Wasser zu bleiben. Jetzt dachte sie ständig daran und an die vielen Ketten und Schlösser, die sie aufkriegen musste. Und dann war da noch der Deckel – das Schwerste von allen, da Omar es steuern konnte, ob sie ihn aufbekommen konnte.
Agatha löste ihre Ketten auf, indem sie die Schlösser Schritt für Schritt aufmachte. Dann war da noch der Deckel, den Omar nach 4 Minuten wegschob. Atemlos, sowie sie war, beugte sie sich über den Rand des Tanks und verschnaufte. Dabei war ihr aufgefallen, dass sie Halt hatte, auf dem Boden. Sie ließ sich zunächst nichts anmerken und wartete die folgenden Tage ab. Omar steigerte Tags darauf auf 5 Minuten – das hielt Agatha gerade noch aus. Wieder 5 Minuten. Sie entschloss sich zu handeln.
Agatha stemmte sich gegen am Boden befindlichen Widerstand und schob den Deckel weg. Sie holte kurz Luft. Omar war überrascht – dann flog er zu ihr in den Tank. Sie musste übermenschliche Kraftanstrengungen auf sich nehmen, dass sie ihn hineinbrachte. Omar schnappte nach Luft, doch sie gab ihm keine Chance. Er musste in‘s Wasser, ohne Spielraum zum luftholen. Er zappelte hin und zappelte her, doch sie hatte ihn im eisernen Griff. Sie tauchte unter – da sah sie, dass er Todesangst hatte. Sie ermöglichte ein kurzes Auftauchen seinerseits nach 7 Minuten, doch die Freude war nur vorübergehend. Und dann ging es wieder unter Wasser.
8 Minuten – er schnappte, als er abermals auftauchte. Sie warf ihm an den Kopf: „Du hast Henny absichtlich umgebracht!“ Er leugnete beharrlich. Das zu hören und ihn wieder unterzutauchen, war eines. 9 Minuten – er japste, als wieder an die Oberfläche kam.
„Ich war‘s, ich habe in den Tod geschickt!“
Ein letztes Tauchen, wie zum Abschied, bevor sie die Polizei rief. Omar war fix und fertig. Er fühlte so schlapp, dass ihm schon alles egal war – nebst behördlichen Untersuchungen, die sich endlos hinzogen.
Agatha hatte Geschmack am Tauchen gefunden. Sie ging unter Wasser und über Wasser – jetzt wo die Gefahr endgültig gebannt war. Sie hatte die Absicht, demnächst an einen See zu fahren, oder gar an‘s Meer…