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Veteranen

Aus Anlass meines eigenen Dienstjubiläums

Werner Schicklgruber

Caesar hat gerne auf Veteranen zurückgegriffen. Sie wurden in neu aufgestellte Legionen eingestreut, um mit ihrer Routine die innere Festigkeit dieser Truppenkörper zu erhöhen. Was aber soll man heutzutage mit ihnen machen, da der Zeitgeist ganz gegen sie spricht?

Sicher – man soll den Generationskonflikt ernst nehmen. Ein funktionierendes Zusammenleben von Alt und Jung lediglich auf der Basis von Gefühlsduselei ist auf die Dauer sinnlos. Es braucht den Sozialkontrakt, der Rechte und Pflichten beider Seiten nüchtern und geschäftsmäßig festlegt, und niemand erzähle mir, dieser Vertrag könne von Dauer sein, wenn dabei eine Seite klar benachteiligt wird. Nochmals zum obigen Beispiel: den Sieg über Vercingetorix hätten natürlich die alten Legionäre allein nicht erringen können.

Es bedarf bei Jung und Alt auch einer gewissen Reife, die man nicht katalogisieren kann, sondern die entwickelt werden muss, wenn eine Gesellschaft höhere Standards erreichen will, d.h. nicht in einer Art frühgeschichtlicher Lebensform steckenbleiben möchte. Die gewisse Reife wird gerade im Konflikt zwischen den Generationen gerne grundsätzlich bestritten: es wird einerseits behauptet, die Jungen könnten sie noch nicht haben, andererseits, die Alten hätten sie schon wieder verloren. Dabei ist banalerweise schon ein Akzeptieren biologischer Tatsachen ein erstes Zeichen dieser Reife: schließlich weiß man zu jedem Zeitpunkt seines Lebens, dass man einmal jünger gewesen ist bzw. einmal älter sein wird, und dass dieser Prozess, der ständig Zukunft in Vergangenheit transformiert, ein unausweichlicher ist.

Als ich vor nicht mehr ganz wenigen Jahren in dieses Unternehmen kam, dachte auch ich, die Realität älterer Kollegen könnte mich niemals einholen. Beim Hinaufklettern in der Hierarchie (immerhin war ich einmal der jüngste Abteilungsleiter des Instituts) geschah dies dennoch unaufhaltsam. Die humanistischen Ideale, die Vorstellungen von einer flachen Organisationsstruktur und vor allem vom kollegialen Führungsstil – die ich im Prinzip noch immer vertrete – erlitten empfindliche Schrammen durch einen Alltag, in dem geschäftspolitische Notwendigkeiten mit offenbar unausrottbaren menschlichen Schwächen zusammenstießen.

Unmerklich von Tag zu Tag, aber mehr als deutlich in der Summe der Jahre ist eine Veränderung eingetreten, die man sich nicht vorstellen konnte zu jener Zeit, in der man (zumal als „68er”) gegen das Establishment revoltierte. Plötzlich ist man aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen für das was passiert. Und das heißt: Urteile in Unsicherheit; unselige Entscheidungen für das kleinere Übel; Bremsenmüssen, wo jemand mit Feuereifer vorwärtsdrängt; Eingreifen in persönliche Schicksale…

Plötzlich scheint alles schon einmal dagewesen zu sein, mit jeder denkbaren Konsequenz, und man glaubt zu wissen, wie es auch diesmal wieder ausgehen wird: es ist nicht mehr die erste Rezession, die man diagnostizieren muss; nicht mehr der erste Aufschwung, den man erlebt; nicht mehr der erste Erfolg, den man gegen alle Widerstände erringt; ja – auch nicht mehr der erste Fehler, den man trotz aller Vorsicht macht. Die Sitzgurten werden irgendwann ohne Nervosität angelegt.

Das soll keine larmoyante Litanei werden. Die irgendwann im Lauf der Karriere gewonnene Routine leitet eigentlich eine stolze Lebensperiode ein: Du gehst hin und weißt, du wirst es schaffen, was immer auch geschieht! Und wenn man nicht ganz verbohrt ist, hört man ja – zumindest insgeheim – auf diese gewissen Fragen: Warum machen wir das eigentlich? Warum machen wir es so und nicht anders? und schließlich: Könnte ich das nicht besser?

Und man beginnt, nur ganz sachte zu steuern, nur ganz leise zu korrigieren, nur ganz weite Richtlinien zu setzen – immerhin dort, wo das von der Mentalität einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters her möglich ist. Man lässt Wiederholungen zu, aus denen eigene Erfahrungen der Mitarbeiter werden, denn man hat begriffen, dass man Erfahrungen nicht fix und fertig weitergeben kann. Man gewinnt eine neue Eigenschaft, die man früher nie hatte – die Geduld, aber zum eigenen Wohl versucht man gleichzeitig, die alte Ungeduld mit sich selbst und anderen nicht ganz zu verlieren.

So zieht sich als Resumee der Generationenkonflikt quer durch die eigene Persönlichkeit. Hätte ich einerseits nicht die Erfahrungen aus 25 Jahren, hätte ich für meinen Arbeitgeber nicht annähernd den gleichen Wert – das liegt auf der Hand. Hätte ich aber nicht die gleiche jugendliche Unbekümmertheit wie vor 25 Jahren – das wäre wirklich schlimm.