Agentinnen und Agenten Leseprobe (1)
1
Dena Smith (die hieß tatsächlich so, hatte also wirklich diesen Allerweltsnamen) war eine supergebaute Blondine. Damit wäre alles gesagt, wenn sie gegenüber dem weitverbreiteten Vorurteil nicht einen Vorteil gehabt hätte – sie war klug wie ein Affe, besser eine Affin, nur ließ sie sich ihre Klugheit weiß Gott nicht anmerken…
Aufgewachsen in dem kleinen Ort Red Lake Falls, Minnesota, mit seinen 1.427 Einwohnern. So weit sie denken konnte, wollte sie aus dem Kaff ausbrechen und die weite Welt unsicher machen. Da war ihr bescheidenes Heim in der Chicago Avenue, ihre erste Schule, die St. Joseph’s Elementary, und schließlich die Lafayette High School, wo sie es zuletzt nur mit größter Mühe ausgehalten hatte.
Dessen ungeachtet beobachtete sie die Wirkung ihres Aussehens als „luscious blonde“ von frühester Kindheit an – nämlich die natürliche Ausstrahlung, die sie quasi von selbst ausübte. „Was für ein entzückendes Kind!“, sagten die Tanten sowieso, und die Onkel konnten sich plötzlich vorstellen, dass sie eine Minderjährige vernaschten. Dena – bei aller vordergründigen Freundlichkeit und Ungezwungenheit, die sie an den Tag legte – gab sich aber noch bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr und darüber hinaus äußerst zugeknöpft. Es handelte sich ein Asset, eine Unique Selling Proposition, die sie nicht so rasch aus der Hand zu geben trachtete – und wenn, dann nur zu einem sehr hohen Preis. Aber wenn sie nicht nach einem faden Leben ohne alle Perspektiven am St. Joseph’s Cemetery begraben werden wollte, dann blieb ihr gar nichts über, als sich früher oder später zu verabschieden.
Übrigens – Denas Dad nannte sie „Cloudy“ (Wölkchen), und das machte er noch, bis es ihr langsam peinlich wurde, aber was soll’s: Sie blieb ewig sein kleines Mädchen. Ihre Mum betrachtete die Angelegenheit nüchterner – ahnte bereits frühzeitig mit weiblicher Intuition den Drang in die Ferne. Und eines Tages war es soweit: mit Erreichen der Großjährigkeit (das ist in den USA in der Mehrheit der Bundesstaaten 18) schwirrte sie einfach ab, ohne ein Wort zu sagen – packte einfach heimlich in Abwesenheit von Mutter und Vater ihre Sachen und fort war sie.
Mit zunehmendem Alter sah die Smith wie eine Kopie von Marilyn Monroe aus – mit einem gravierenden Unterschied: Dena war naturblond bis in die intimsten Stellen, während das Original mit Wasserstoffsuperoxid nachhalf. Was noch anders erschien wie vor 30 Jahren – so groß war der ungefähre Altersabstand zwischen beiden –, galt der Art sich anzuziehen. Weit legerer gestaltete sich die Kleidung in diesem doch sehr bedeutenden Zeitabstand.
Während Dena mit ihren alten Pontiac die 1.600 Meilen nach Washington, DC, fuhr, erinnerte sie sich, dass sie einmal anlässlich eines Kostümfestes naheliegenderweise als die Monroe gegangen war – mit einem weißen Fähnchen mit tiefem Rückenausschnitt, sodass sie keinen BH anziehen konnte, und beim Tanzen zeigte sie ganz schamlos ihr Hös’chen. Das hatte einen ziemlichen Aufruhr erzeugt, zumal bei den jungen Damen. Die Jungs sahen nur Dena-Marilyn, und jeder wollte mit ihr ein Solo hinlegen.
Aber das lag weit hinter ihr: Mittlerweile hatte sie sich, unbemerkt von ihren Eltern, für einen Job beim Federal Bureau of Investigation beworben. Die Behörde hatte grundsätzliches Interesse bekundet, und sie war in die Hauptstadt unterwegs…
2
Dabei wusste Dena, die in Wirklichkeit einfältig-naiv war (und, um es rundheraus auszusprechen, fast ein wenig hinterwäldlerisch), wenig bis nichts von dem tatsächlichen Zustand der Vereinigten Staaten von Amerika. Die U.S.A. – ein paranoider Haufen! Wie es im Lehrbuch heißt: „wider den Verstand“, Verfolgungsangst bis hin Verfolgungswahn.
Die Betroffenen leiden an einer verzerrten Wahrnehmung ihrer Umgebung in Richtung auf eine feindselige, im Extrem bösartige Haltung ihrer Person gegenüber. Die Folgen reichen über ängstliches oder aggressives Misstrauen bis hin zur Überzeugung von einer Verschwörung anderer gegen sich. Das wäre an sich kein Problem – die schicken aber gleich einen von den zehn Flugzeugträgern los.
Gewürzt wird das Ganze durch die Tatsache, dass die wenigen Reichen immer noch reicher werden, während sich die Lebensumstände für die Armen immer trister gestalten – und sie konnten objektiv gar nichts dagegen machen. Eine spezifische Facette des Puritanismus bestärkt in den USA im Gegenteil diese Geisteshaltung noch: „Wer arm ist, ist an seinem Schicksal selbst schuld!“
Damit war die Smith bisher kaum in Berührung gekommen. Sie glaubte noch fest an den amerikanischen Traum…
3
Dena Smith war wie gesagt Richtung Washington, DC, unterwegs. Einmal kaufte sie sich ein Sandwich in Madison, Wisconsin, und übernachtete bereits in Indiana, und zwar im Morris Inn in der Notre Dame Avenue in South Bend, Indiana. Von dort fuhr sie direkt in die Hauptstadt – sie konnte es schon gar nicht mehr erwarten, ans Ziel zu gelangen: das Holiday Inn in der Rhode Island Avenue.
Einige Tage später konnte sie, keine drei Minuten entfernt, bei den F.B.I. Headquarters in der Pennsylvania Avenue vorsprechen – im bekannten J. Edgar Hoover Building, das nach dem berühmt-berüchtigten Direktor genannt ist. Hier kam Dena, nachdem sie diverse Security Checks absolviert hatte, an einen der Spezialisten von Human Resources namens Cosimo Zingarelli. Der wiederum – obwohl durch und durch Amerikaner in dritter Generation – verspürte noch immer das heiße Blut seiner sizilianischen Vorfahren in sich, besonders wenn er eine blonde Frau sah.
Er hätte sich am liebsten auf die Smith gestürzt, gleich hier im seinem Büro, und hielt nur mühsam an sich. Er war an sich kein Kind von Traurigkeit, was seine bessere Hälfte oft leidvoll erfahren musste, aber niemals hatte er sie mit seinen Kolleginnen betrogen – das bedeutete sein ureigenstes Privatvergnügen. Mit Dena war das etwas anderes: sie verschlang Cosimo bereits mit seinen Blicken. Dabei war er gut zwei- oder dreimal älter als das Objekt seiner Begierde, aber er fühlte sich mühelos in der Lage, seinen Mann zu stellen (wenn Sie wissen, was ich meine).
Aber zunächst musste er sich Geduld fassen, durfte mit seinem heftigen, auf die Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse gerichteten Verlangen nicht gleich ins Haus fallen. „Hi!“, sagte er ein bisschen linkisch, während er unter seinem Schreibtisch eine ungeheure Erektion verbarg. Er forderte die Smith auf, Platz zu nehmen, ohne ihr die Hand zu geben.
„Mein Name ist Cosimo.“, sagte er leichthin. „Und Ihrer?“ Er hatte ohnehin ihre Unterlagen vor sich, aber er wollte es so gerne aus ihrem Mund hören. „Dena!“, flötete sie – ihr war seine Gemütsbewegung nicht entgangen, und dachte diese ganz bewusst für ihre Zwecke auszunützen.
„Was erwarten Sie sich von einer Tätigkeit beim F.B.I.?“ fragte Zingarelli etwas verkrampft.
Tja, was erwartete Dena sich eigentlich? Er legte ihr umgehend die Notrutsche, gab ihr die notwendige Struktur: „Wenn Sie die Online Application, die Bewerbung, positiv abgeschlossen haben (also eben jetzt), kommen Sie auf die F.B.I. Academy, die sich auf der Marine Corps Base in Quantico, Virginia, befindet. Dort sind über Einladung der Organisation sozusagen in Klausur – da werden wir uns zu meinem Leidwesen nicht sehen!“
Dena heuchelte Bedauern – ihre Worte waren süß wie Honigseim.
Cosimo erläuterte scheinbar teilnahmslos die weiteren Schritte:
Phase I Testing, in der unter anderem die Sprachkenntnisse erkundet werden;
Phase II Testing, in der unter anderem eine schriftliche Arbeit zu erstellen sowie ein persönliches Interview zu absolvieren ist, geführt durch ein Panel von Special Agents;
dann erhielte die Smith einen sogenannten Conditional Letter of Appointment;
gefolgt von einem Physical Fitness Test;
dann kam die F.B.I. Background Investigation und zuletzt eine Medical Examination.
Hier war Zingarellis selbstauferlegte Disziplin am Ende – wenn er sich nicht bald mit Dena verlustierte (aber das erschien mit Rücksicht auf seine Stellung nicht möglich), würde er halb wahnsinnig werden. Er drängte die Smith aus seinem Büro…
4
Sadie Rodriguez war die rechte Hand des Station Chief der Central Intelligence Agency an der Botschaft der Vereinigten Staaten in Moskau. Dieser verbarg sich neuerdings unter einem harmlosen Handelsrat Anthony Brown – sein richtiger Name war Top Secret, nachdem die USA erst vor kurzem von Russia’s Federal Security Service gedemütigt worden waren, weil einer von den Agenten plump wie ein Anfänger versucht hatte, zwei russische Geheimnisträger umzudrehen. „Browns“ Vorgänger war umgehend abberufen worden, der Botschafter, der von den Ereignissen bislang (wie konnte es anders sein) nicht das Geringste gewusst hatte, wurde ins Außenministerium einbestellt, wo ihn der zuständige Ressortchef genüsslich auseinander nahm.
Nun schlug für Sadie die große Stunde. Sie hatte zwar von den in Frage stehenden Geschehnissen nur am Rande erfahren, kannte aber dafür aus langjähriger Erfahrung vor Ort den Hausbrauch, das heißt die übliche Usance aus dem Effeff. Das wollte sie gegenüber dem jetzigen Top Intelligence Representative keineswegs ausspielen – sie hielt sich gerne im Hintergrund. Damit fuhr sie bis jetzt gut, da sie aus der zweiten Reihe wesentlich mehr bewirken konnte (das war unverrückbar ihre tiefste Überzeugung).
Und wirklich: der Amtsträger von der C.I.A. begab sich ganz und gar in die Abhängigkeit von der Rodriguez. Was hätte er auch sonst machen können –zugeben, dass er in dieser Position ein völliger Neuling war? Er machte lieber den übrigen vor, dass er ein toller Bursche war und begab sich punktuell völlig in Sadies Hand. Kurz hatte er versucht sie anzubaggern, aber sie zeigte sich in keiner Weise interessiert. Anthony war irgendwie erleichtert – ihr Verhältnis wurde dadurch um vieles leichter. Später verfestigte sich seine Ansicht, dass sie wohl vom anderen Ufer sein müsste, obwohl sie nichts Diesbezügliches verlauten ließ. Aber die eine Geste da und die andere Gebärde dort schienen für ihn Bände zu sprechen.
Sadie erwies sich überhaupt sehr zugeknöpft, was ihr Privatleben betraf (das angesichts der Tatsache, dass die Bewegungsfreiheit des Botschaftspersonals äußerst eingeschränkt war, kaum stattfand). Entgegen der sonstigen Extrovertiertheit, die das amerikanische Publikum normalerweise an den Tag legt und die sich auf diesem engen Raum mit einer gewissen Tabulosigkeit bemerkbar machte, war sie in höchstem Maße unzugänglich und reserviert.
Die Rodriguez hatte einschlägige Erfahrungen aus ihrer Frühzeit, die nichts Gutes verhießen. Da hatte sie sich, unvorsichtig wie sie damals war, auf sehr gewagte Fotos eingelassen – heute würde man das ein Selfie nennen, aber damals gab es diesen Begriff noch nicht. Einerlei, es war richtig heiß, was man da zu sehen bekam, eine wahrhaftige Glanznummer. Dabei hatte Sadie ein echtes Dutzendgesicht – im Gegensatz zu ihrem fulminanten Körper, aber den konnte man in seinen Grundzügen nur erahnen. Was Wunder, wenn sie ihre Vorzüge auch einmal in den Vordergrund gerückt sehen wollte.
Das hatte in ihrer Heimat, Coral Springs in Florida, einen wahren Shit-Storm ausgelöst – das bezeichnete man damals auch noch nicht mit dieser Vokabel (genauso wenig wie „Selfie“), aber wir wissen, was gemeint ist. Während das jetzt gang und gäbe ist, dass sich gewöhnliche Leute, namentlich die Damen, ausziehen, war das noch den Pornoproduzenten vorbehalten, als Sadie an der Schwelle zu einem Twen stand.
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Er war ein österreichischer Beamter, aber ein solcher der besonderen Art: Er schien in keiner Statistik auf, gehörte zu einer Sondereinheit (SE2), die direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium unterstand. Sein Budget und das seiner Mitarbeiter wurde pauschal abgerechnet – und damit auch jeglicher Kontrolle entzogen.
Sein Aussehen war einigermaßen ungewöhnlich, jedenfalls für einen Staatsdiener: Er war etwa 40jährig, schlank – das machte sein Erscheinungsbild allerdings noch nicht aus. Er trug statt des üblichen Anzugs eine Art Hippiekleidung, gekrönt von seinem schulterlangen Haar, das er, wenn es ihm danach war, zu einem Zopf zusammenfing. Seine besondere Gabe war das zweite Gesicht, mit dem er, ohne sich zu erheben etwas sehen konnte, quasi von seiner Couch aus.
Sein Team bestand aus drei Damen und zwei Herren, von denen jeder ein anderes „Fachgebiet“ betreute. Sie sprachen sich mit den Vornamen an – der Chef war Fabian. Isabel war für Abstrakt-Rekonstruktion zuständig (das ist die Fähigkeit, aus winzigen Andeutungen, Hinweisen und Indizien ein vergangenes Ereignis so genau zu rekonstruieren, wie es sonst nur einem elektronischen Großrechner nach der Methode der iterativen Simulation möglich ist).
Larissa war maßgeblich für die Astral-Projektion und konnte die pseudo-materiellen Körper von sich selber erzeugen und so an anderen Orten agieren. Vanessa war kompetent in Sachen Empathie – sie konnte Gefühle und Stimmungen wahrnehmen.
Noah war autorisiert, eine drohende Gefahr zu spüren – er hatte die spezifische Eigenschaft als Gefahrenorter. Manuel war federführend dafür, andere Lebewesen kraft seiner Gedanken zu lähmen, so dass sie wie paralysiert sind.
Vom Äußeren her waren sie durchaus unterschiedlich. Vanessa zeichnete sich (jedenfalls gegenüber Fabian) durch noch überdrehtere Outfits aus – sie überbot sich, was ihre Tattoos betraf, wobei sie ständig neue Sujets entwarf und gleich selbst durchführte. Isabel wiederum war das „Model“ – sie gab Unsummen für Klamotten aus. Ständig musste sie um einen Vorschuss auf ihr ohnehin nicht unbeträchtlichen Gehalt ersuchen. Manuel traf sich zumindest in diesem einen Punkt mit Isabel. Er liebte den Prunk schöner Gewänder, nur dass er sich das Ganze gerade noch leisten konnte. Noah und Larissa waren die mit Abstand normalsten Exemplare dieser außergewöhnlichen Sammlung – sie hatten, abgesehen von ihren parapsychologischen Begabungen, keine besonderen Merkmale.
Die ganze Gruppe lebte in kleinen Dienstwohnungen des Ministeriums in der Herrengasse im ersten Wiener Gemeindebezirk, wo sie bestens versorgt wurde. Verantwortlich dafür war eine ganz „gewöhnliche“ Frau, von der Korona ehrfurchtvoll als „Madame“ bezeichnet. Alle waren sich zumindest in einem Punkt einig – dass sie ohne ihre Hilfe erschossen gewesen wären. Ihr bürgerlicher Name war übrigens Eva Ochsenknecht, was in der Folge noch eine gewisse Rolle spielen wird.
Die Gruppe wurde nämlich eines Tages mit der Anforderung des Federal Bureau of Investigation konfrontiert, die durchaus heikel war. Das F.B.I. stellte darin die Anfrage, ob sie sich die ganze Mannschaft entleihen könnten, was diesseits des Atlantiks großes Erstaunen auslöste – die Amis, so lautete das Mantra, haben normalerweise die Kraft, alles viel besser zu erreichen. Nach einigem Zögern gab das Innenministerium die Zustimmung zu diesem Experiment. Die Kohle stimmte auch, und das war letztlich das Ausschlaggebende.
6
Dena Smith übersiedelte an die F.B.I. Academy, die wie gesagt in Quantico untergebracht war. Die meisten Trainingseinheiten des „Bureaus“ finden hier statt, wie physische Fitness, Kenntnisse in Schusswaffen, Verteidigungstaktik und (ganz wesentlich) virtuelle Instruktion sowie Zusammenarbeit bei diversen Szenarios. Am meisten machten ihr die Verfolgungsjagden Spaß, die sie zu absolvieren hatte und wo sie sich besonders begabt anstellte.
Um es abzukürzen: Nachdem Dena Smith ihre Ausbildung zu einem F.B.I. Special Agent abgeschlossen hatte – nicht ohne die üblichen anzüglichen Bemerkungen der männlichen Kollegen über ihre opulente Figur – heuerte sie in Jacksonville, Florida, in der lokalen Dependance der Organisation an. Neue Special Agents wurden grundsätzlich als minderwertig eingestuft, und zwar unabhängig davon, ob sie diese schlechte Behandlung verdienten oder nicht.
Behördenleiterin war zu jener Zeit eine gewisse Michelle Klimt, geschätzte sechzig Jahre alt, und von abgrundtiefer Hässlichkeit. Da kam ihr jemand, der aussah wie die legendäre Marilyn, gerade recht, um sie vom ersten Zusammentreffen an zu schikanieren. Sie teilte der Newcomerin als Veteran Special Agent Patrick Kennedy zu – als Mentor, der jungen Agentinnen und Agenten helfen sollte, die an der Akademie gelernten Inhalte in der Praxis anzuwenden.
Der war ein trinkfester Bursche, wie fast alle irischstämmigen Amerikaner, und Klimt nutzte diese spezielle Eigenschaft, um ihren Sadismus zu befriedigen, wann immer ihr danach war. Kennedy erwies sich insofern als gelehriger Schüler, als er in voller Skrupellosigkeit seinen eigenen sadistischen Gefühlen freien Lauf ließ. Da war die Smith in einen tollwütigen Haufen hineingeraten.
Der erste Auftrag, den Patrick und Dena gemeinsam ausführen mussten, führte sie gleich aufs flache Land – in die Everglades. Kaum waren sie aus Jacksonville hinaus, wurde Kennedy bereits zudringlich, wobei das Outfit der „Marilyn“ das zusätzlich beschleunigte. Sie hatte High-Heel-Pumps an, dazu noch einen Minirock und oben herum nicht viel – da wo sie herkam, war es wesentlich kälter, und sie transpirierte leicht. Umso mehr nervten sie seine Annäherungsversuche, zumal er ja offensichtlich in der Lage war, den schweren Dodge Pick-up mit der Linken zu steuern, während sich die Rechte lohnendere Ziele suchte.
„Oh my gosh, Pat!“, sagte Dena. „What are you doing. Stop doing nothing.“ Hier kam der Slang ihrer Heimatstadt wieder zum Vorschein. Kennedy blieb unbeeindruckt. Erst als sie ihn direkt attackierte, ließ er zum Schein von ihr ab, konzentrierte sich wieder voll auf den Verkehr. Sie würde schon noch in seine Gasse kommen, frühestens wenn sie sah, was er im Kofferraum hatte: nämlich Regenstiefel ihrer Größe – das Maß hatte er sich in der F.B.I.-Datenbank besorgt, nebenbei bemerkt auch sämtliche ihrer übrigen Dimensionen.
Das örtliche Sheriff’s Office hatte die Behörde um Amtshilfe bezüglich eines Falles ersucht, in dem die lokalen Stellen überfordert waren. Und wirklich: die überregionale Suche hatte sofort ein Ergebnis erbracht. Und nun waren Patrick und Dena unterwegs zum Ernest F. Coe Visitor Center, südlich von Miami am Zugang zur Marjory Stoneman Douglas Wilderness. Die Kollegen vom an sich zuständigen F.B.I.-Büro Miami erwiesen sich infolge von Drogendelikten als derart überlastet, und sie hatten Jacksonville um Unterstützung gebeten.
Die Beiden waren auf den Besitzer des General Store im Visitor Center gestoßen, der auf großem Fuß lebte, was mit seiner voraussichtlichen Ertragslage nicht in Einklang zu bringen schien. Es war ihm aber im Augenblick nichts nachzuweisen, sodass sie unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten.
Auf der Heimfahrt gab sich Kennedy äußerst zugeknöpft. Als er die Smith zu Hause absetzte, reichte er ihr die Stiefel mit abschätzigen Worten: „Ich habe keine Verwendung dafür!“
7
Sadie Rodriguez war auf einem ihrer karg gemessenen Urlaube in den USA (in einem Sicherheitsabstand zu dem von ihr ausgelösten Shit-Storm) endlich wieder in ihrer Heimat, Coral Springs in Florida, zu Besuch. Sie hatte ihren Aufenthalt nicht groß angekündigt – ihre Eltern waren vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und zu den näheren Verwandten hatte sie (eben wegen des ihr anhaftenden Skandals) keinen Kontakt mehr.
Und so saß sie jetzt ziemlich verloren in einem Coffee Shop in der Festival Flea Market Mall. Dort begegnete sie zufällig Dena Smith, die dort an ihrem freien Tag unauffällig die Gegend erkunden wollte. Es war Liebe auf den ersten Blick, was da ablief – es traf die Beiden wie ein Blitz!
Bei Sadie war das aufgrund ihrer Veranlagung (sie tendierte eindeutig „zum anderen Ufer“, wie der Top Intelligence Representative deutlich erkannt hatte) quasi im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Aber anders verhielt es sich bei Dena – sie war bis jetzt auf das andere Geschlecht fixiert, was nicht zuletzt dem winzigen Nest, aus dem sie herstammte, zugeschrieben werden konnte. Da unterdrückte man jegliche homoerotischen Neigungen auf das Schärfste.
Egal – für Dena war das Erlebnis größer (im Sinne eines totalen Kulturschocks), was nicht bedeutete, dass es nicht auch Sadie erschütterte, in aller Unvermitteltheit, mit der das abschnurrte. Sie gingen aufeinander zu, stürzten geradezu aufeinander, wobei ein Rest von Scham sie davon abhielt, vor aller Augen ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Die Smith zahlte rasch, und dann ging es ins Haus von der Rodriguez – einem schönen alten Gebäude in der Nob Hill Road, in dem sie allein wohnte.
Kaum war die Tür verschlossen, fielen die Beiden schon übereinander her – ohne jegliche Skrupel. Sie verloren ein Kleidungsstück nach dem anderen, auf ihrem Weg ins Schlafzimmer: da waren die jeweiligen Schuhe, im Falle Denas die unvermeidlichen High-Heel-Pumps, im Falle Sadies bequeme flache City Walk Ballerinas. Weiters gab es einen Minirock beziehungsweise eine Hose, einen American Apparel (ein kurzes Trägershirt mit amerikanischer Flagge) beziehungsweise ein Longtop mit Spitze sowie einen String ohne Oberteil beziehungsweise ein Panty und dazu den entsprechenden BH. Am Ende standen sie im Schlafzimmer nackt da und beäugten sich ausgiebig und ohne Scheu.
Was der Smith gleich auffiel, war die Tatsache, dass sich hinter dem Allerweltsgesicht der Rodriguez eine eindrucksvolle Physis verbarg. Sadie war fast doppelt so alt wie Dena, so schätzte sie sie jedenfalls ein – der körperlichen Fitness hatte das nicht den geringsten Abbruch getan.
Die Beiden ließen sich aufs Bett fallen und da ergab sich für das Landei, das Dena trotz ihres Gehabes als Marilyn Monroe im tiefsten Herzen noch immer geblieben war, eine wirkliche Sensation. „Jetzt werde ich dir einmal vorführen, was Liebe sein kann, und dass niemand die Bedürfnisse einer Frau so zufriedenzustellen vermag wie eine Geschlechtsgenossin!“, sagte Sadie.
Gesagt, getan…
Dena erfuhr bisher ungeahnte Wonnen – immer tiefer entführte Sadie sie in ihre Welt der dunklen Begierden, immer haltloser verliert sie sich im Strudel ihrer Lust. Sie hatte plötzlich von den „Schwanzträgern“ die Nase voll und suchte den zärtlichen Kontakt zu einer Frau, eben zu der Rodriguez. Sie hat noch keine Erfahrungen damit gemacht, aber unvermittelt wächst ihr Verlangen nach streichelnden Händen, einem küssenden Mund und einem warmen Körper.
Dena wuchs aus sich hinaus: „Ich könnte es sein, die sich an dich kuschelt, deine warme Haut spürt und gleichzeitig erfüllt von Glück den Duft deines Parfums einatmet. Ich lasse meine Hände durch dein Haar gleiten und sehe in deine Augen, die mich neugierig aber auch voller Verlangen anstrahlen. Dein Mund ist leicht geöffnet und er schreit nach einem Kuss. Ich muss es tun, ich presse meine Lippen auf deine und unsere Zungen finden sich zu einem aufregenden Tanz. Unser Atem vermischt sich und die Hände gehen auf Wanderschaft. Sie erforschen das fremde und doch so vertraute Fleisch, finden genau die Stellen, an denen plumpe Männerfinger so oft versagen.“
8
Sadie Rodriguez war nach kurzem Urlaub längst wieder in Moskau. Sie und Dena hatten beschlossen, den Ball flach zu halten, um nicht weiter aufzufallen – zu kostbar bildete sich in der Erinnerung ab, was sie erlebt hatten.
Die F.B.I.-Computer arbeiteten derweil unablässig, und so spuckten sie bald einen Delinquenten aus, nämlich wieder den des Besitzers des General Store im Visitor Centermit Namen Wozniak. Der hatte, wie sich herausstellte, ordentlich Dreck am Stecken – so viel, dass ein Richter einen Durchsuchungsbefehl ausstellte. Erneut machte sich das ungleiche Paar (nämlich Smith und Kennedy) auf in die Everglades…
„Nimm‘ sie dir ordentlich ‘ran!“, hatte Michelle Klimt ihrem Adlatus Patrick aufgetragen. Dieser war anfangs gar begeistert – so auf Kommando hin, war er desillusioniert. Aber er führte es pflichtgemäß aus: nämlich dass er Dena zu vergewaltigen versuchte, nachdem er zu ihrer Überraschung in einen Feldweg abgebogen und ausgestiegen war. Sie folgte ihm auf dem Fuße.
„Was führst du mir denn vor?“ Eine naive Frage, angesichts seiner hinterhältigen Intentionen. Sie war trotz ihrer Schönheit (oder vielleicht gerade deshalb) ein Landei geblieben. Als sich unmittelbar darauf seine wahren Absichten zeigten, handelte sie aber rasch: Ihr Vater hatte ihr pünktlich zu ihrem 18. Geburtstag eine Pistole gekauft, „damit sie sich der vielen Jungs erwehren konnte!“
Anlässlich ihres klandestinen Abgangs hatte sie die Waffe selbstverständlich mitgenommen. Neuerdings trug sie diese unter ihrem Minirock an der Innenseite ihres Oberschenkels – sie sah angesichts ihrer sonstigen Bekleidung keine andere Möglichkeit für ein Versteck. Die Dienstpistole des F.B.I. (eine Glock 18) ließ sie instinktiv stecken.
Dena zielte auf Patrick, der das nicht weiter ernst nahm. Zumal wie sie sich präsentierte: um an das Gerät heranzukommen, musste sie ihren String herzeigen. Kennedy dachte zunächst an einen raffinierten Spaß – bis er ihre Augen genauer betrachtete. Da schlug ihm ungeheurer und maßloser Hass entgegen!
„Auf die Knie!“, befahl die Smith, „Und glaub‘ nur ja nicht, dass du vor mir abdrücken kannst! Ehe du deine Pistole ziehst, habe ich schon den Abzug betätigt!“ Sie knallte ihn ab wie einen räudigen Hund und entsorgte ihn in einem zahlreichen Tümpel. Dort würde er schon bald bis an die Unkenntlichkeit zerlegt sein.
Der Store-Besitzer staunte nicht schlecht, als er einen der beiden Agents wieder auftauchen sah. „Wir haben einen Haftbefehl gegen Sie!“, konnte man Dena schon vom weitem vernehmen. Das hören und verschwinden, das war für den Mann eines.
Die Smith ließ sich bewusst Zeit, um den Kerl entkommen lassen. So konnte sie später behaupten, er habe ihren Partner ausgeschaltet und sei geflohen. Was hätte sie als Frischling machen sollen – das Schicksal ihres „Freundes“ teilen. Das konnte niemand von ihr verlangen.
Sie kehrte zurück und berichtete kurz über die Geschehnisse. Nur dass sie Tatsachen verdrehte und behauptete, der bewusste Wo?niak habe auf Patrick geschossen, worauf sie geflüchtet sei.
Michelle Klimt war zunächst sprachlos, dann tobte sie los. Der ganze Frust vieler Jahre ergoss sich über Dena. Es stellte sich heraus, dass die Chefin ein langes und intensives Verhältnis gehabt hatte, das von Seiten Kennedys nicht immer ungetrübt verlaufen war – kurz gesagt, er lief jedem Rock nach, der sich bot. Reumütig kehrte er stets wieder in die schützenden Arme von Michelle zurück. Anders war es bei Dena: Er hatte nur noch Augen für sie. Die Klimt plante etwas, was als großer Befreiungsschlag dienen sollte – indem sie die Rivalin geradezu in seine Hände trieb, müsste sich ihrer Ansicht herausstellen, dass sein jüngster Star auch nur mit Wasser kochte.
Als es für Dena immer unerträglicher wurde, rief sie in ihrer Not bei Cosimo Zingarelli an. Der kam mit fliegenden Fahnen herbei…
9
Alexander Alexandrowitsch Winogradow vom russischen Außenministerium machte sich wirklich Sorgen um sein Vaterland, rückten doch die Truppen des Erzfeindes USA scheinbar unaufhaltsam näher. Derweil betrog ihn seine Frau, Tatjana Iwanowna Iwanowa, nach Strich und Faden, wenn er nicht zu Hause war. Und Alexander Alexandrowitsch übernachtete praktisch ständig im Büro – es ging nicht ohne ihn, so bildete er sich augenscheinlich ein.
Dabei hatte sie ihn ursprünglich ohne Einschränkungen geliebt – und nur ihn. Alexander Alexandrowitsch und Tatjana Iwanowna bewohnten ein geräumiges Haus im vornehmen Stadtteil Kunzewo und hatten keine Kinder – ob’s an ihm lag oder an ihr, wurde von keinem der Beiden schon längst nicht mehr in Frage gestellt, es war eben so.
Obwohl Tatjana „nur“ Hausfrau ist (in Russland eher die Ausnahme), verdiente Alexander genug, um ihnen ein auskömmliches Leben zu finanzieren, was im heutigen Russland die noch viel größere Ausnahme ist. Es ist eine Tatsache, dass die Herren in der Minderzahl gegenüber den Damen sind – mit der Konsequenz, dass „Emanzipation“ bei vielen Männern ein Schimpfwort ist. Das traf keinesfalls auf Winogradow zu, der seine Eheliebste auf Händen trug, aber was nützte es ihr bei den vielen einsamen Nächten…
Kurzum – sie begann ein Verhältnis mit einem der Nachbarn, einem reichen Nichtstuer namens Jegor Jegorowitsch Orlow. Er hatte unendlich viel Zeit für die Iwanowa – und unendlich viel Geld, das er aus nicht sehr durchsichtigen Quellen schöpfte. Er war, was man in Russland einen Oligarchen nennt, mit allem Geheimnisvollen, das diesen Begriff umgibt.
Tatjana warf sich diesem (so schien es ihr) rätselhaften Herrn an den Hals, ohne zu überlegen. Dabei handelte sich bei ihm um ein besonders hässliches Exemplar des ohnehin schon verschrienen Typus „russischer Mann“. Er war schon etwas älter als ihr Angetrauter und, während dieser sich körperlich in Schuss hielt, zeigte überhaupt keine Spuren von Zurückhaltung. Was die Iwanowa an ihm fand, wird wohl immer ein Mysterium bleiben.
Winogradow kam in kürzester Zeit dahinter, ohne ein Wort zu verlieren. Man konnte nie wissen, was einem Oligarchen alles einfiel, wenn er sich auf den Schlips getreten fühlte. Anstatt sich plump zu rächen (wobei noch immer die Frage war, wie er das anstellen wollte), reifte in ihm in Umrissen der Plan, Orlow langfristig zu vernichten.
Dazu musste Alexander Alexandrowitsch das Vertrauen des potentiellen Opfers gewinnen. Da traf es sich gut, dass das Neujahrsfest bevorstand, was er zum Anlass nahm, Jegor Jegorowitsch zusammen mit seiner Frau einen Besuch abzusatten. Tatjana wagte es nicht, auch nur einen Mucks gegen sein Vorhaben zu machen. Die Bodyguards staunten nicht schlecht, als sie die Beiden auftauchten (statt der wie üblich die Gattin allein, für die die Leibwächter in Abwesenheit ihres Chefs die wenig schmeichelhafte Bezeichnung „Hure“ bereit hatten).
Orlow war überrascht, ließ sich aber seine Verwunderung nicht anmerken. Ganz der gewandte Gastgeber, bat er seine Gäste herein „in meine bescheidene Hütte“, wie er sich ausdrückte. Winogradow revanchierte sich mit dem alten russischen Spruch: „Wie man das neue Jahr beginnt, so wird man es auch verbringen.“
Die Drei tauschten noch eine Menge Höflichkeiten aus, und der unvermeidliche Wodka floss in Strömen. Dann verabschiedeten sich Alexander und Tatjana endlich wieder. Orlow fragte sich, was das Ganze sollte – und das fragten besonders seine Bodyguards, die durch ihren Beruf angehalten waren, systematisch misstrauisch zu sein.
10
Cosimo Zingarelli hatte von ganz oben den Befehl in der Tasche, Michelle Klimt aus dem Verkehr zu ziehen, wegen zahlreicher vergangener Vorfälle – die aktuellen Ereignisse hatten nur das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Er ließ sie noch ein wenig zappeln, zwecks purem Amüsement. Er stellte sich ganz harmlos vor als Rechnungsprüfer, der irgendwelche unverfänglichen Papiere prüfen sollte. „Dann sind Sie mich gleich los!“ Entsprechend üppig war Michelles Antwort.
Sie warf ihm vor, sich in ihre ureigensten Angelegenheiten zu mischen. „Das wird für Sie Konsequenzen haben!“, schmiss ihm hin. Er reagierte völlig cool: „Beschwerden sind bei meiner vorgesetzten Dienststelle vorzubringen!“
Das verkniff die Klimt sich doch und belästigte ihn nicht weiter, was es ihm ermöglichte, Dena zu besuchen.
Michelle murmelte bei ihrem Abgang etwas wie „Die Männer sind alle schwanzgesteuert!“ in ihren Anflug von Bart, worauf er sich voll und ganz auf seine „Marilyn“ konzentrieren konnte. Die Smith bedankte sich eher reserviert bei ihm, was Zingarelli mit einem Achselzucken parierte.
„Was ist denn genau vorgefallen?“, fragte er. Da berichtete ihm Dena von den zahlreichen Demütigungen, die ihr in der kurzen Zeit durch die Klimt wiederfahren waren. Und Kennedy hatte sie sogar zu vergewaltigen versucht, „stellen Sie sich vor!“
Da Cosimo eine ähnliche Idee schon viel früher in den Sinn gekommen war, bewahrte er Stillschweigen. „Zu meinem Glück hat dieser Bastard Wo?niak Kennedy erledigt, bevor er geflohen ist!“
Das war ja ein Ding! Zingarelli drehte es fast den Magen um – bezüglich ihrer Wortwahl schlechthin und ihres Zynismus im Besonderen. Er hörte Dena allerdings weiter zu, ohne seine Gefühle preiszugeben. Was er vernahm, das schmeckte ihm gar nicht – sie gestand ihm ohne weiteres, dass sie erst kürzlich von einer neuen Freundin (sie verriet aber nicht, von welcher) bekehrt worden war: I am gay!
Cosimo gehörte nun keineswegs zu jenen Personen, die ein Geständnis dieser Art besonders anturnte, beziehungsweise die mit missionarischem Eifer diese Veranlagung rückgängig zu machen versuchten. Er verlor schlichtweg sein Interesse an der Frau als solcher, da mochte sie aussehen wie die legendäre Monroe, wie sie wollte. Da war er konservativ bis auf die Knochen – mit so jemandem verkehrte er bloß dienstlich.
Er ging hin und schenkte Michelle Klimt reinen Wein ein über ihr zukünftiges Schicksal: dass er zum Leiter dieser Dienstelle ernannt sei, sie abgelöst und nach Washington beordert sei, wo sie voraussichtlich unter erheblichen Gehaltseinbußen eine untergeordnete Tätigkeit ausführen sollte. Er gab ihr den freundschaftlichen Rat, gleich zu kündigen, aber das könnte sie ja halten, wie sie wolle.
Was das Los von Special Agent Patrick Kennedy betraf, galt er als vermisst – die Chancen, seinen Leichnam in den Everglades wiederzufinden, standen bei Null. Damit war indirekt auch Dena freigesprochen. Zingarelli hatte insgeheim die Vermutung, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war, hatte aber gleichwohl keinen Beweis dafür.
Cosimo stellte es seiner Gattin Zoey frei, ob sie ihm auf seinen neuen Posten abseits der Bundeshauptstadt folgen wollte. Das konnte er gefahrlos machen, nachdem sich das Kapitel Dena derart rasch in Luft aufgelöst hatte. Da ihre Kinder längst aus dem Haus waren und Zoey sich unendlich langweilen würde, sagte sie zu, zumal er nahezu das Doppelte von dem verdiente, was er in Washington gehabt hatte.