Agatha Collins – Mord bei den Ama
Über Einladung der japanischen Polizei war Agatha Collins in‘s Reich der aufgehenden Sonne in gefahren – sie wussten dort einfach nicht weiter mit dem Mord an einer der Ama Divers, sodass die (ungeliebte) Hilfe einer europäischen Privatdetektivin in Anspruch genommen werden musste. Zudem war die Sache nicht ungefährlich, und die heimischen (weiblichen) Polizeikräfte sich außerstande fühlten, diesen Job zu erledigen – es ging bei der Belegschaft das Gerücht um, dass ein Einsatz unter Wasser obligatorisch, und nicht zu knapp, war.
Agatha hatte von dem spezifischen japanischen „Machismo“ gehört, aber das übertraf bei weitem ihre negativen Erwartungen. Gleich bei der Vorstellung wurde sie angepflaumt vom Polizeichef: „Verstehen Sie überhaupt etwas von der detektivischen Arbeit, die Sie hier erwartet?“ – „Sonst wäre ich nicht hier!“, gab sie patzig zurück. „Können wir uns jetzt der ,detektivischen Arbeit‘, wie Sie das nennen, widmen!“, kam sie zum Punkt.
Es stellte sich heraus, dass eine von den Ama Divers nicht aus dem Meer zurückgekehrt war – sie war „lediglich“ vermisst, das hatten ihr die zuständigen Stellen verschwiegen. Und sie ging daher systematisch vor: Erst einmal die Erkundigungen an Land im Verwandten- und Bekanntenkreis, ob sich die Betreffende gemeldet hatte, wobei ihr als Dolmetscherin eine reizende Beamtin namens Akiko Yamamoto zur Seite stand. Allein – alle diesbezüglichen Bemühungen waren vergeblich!
Blieb nur noch der Ozean! Agatha fragte Akiko, mit der sie mittlerweile das Du-Wort teilte, ob sie sie begleiten würde, obwohl es zum Dolmetschen submarin wenig Gelegenheit geben sollte. Akiko war privat begeisterte Schwimmerin und Taucherin und es war ihr eine Ehre, sich der Detektivin anzuschließen. „Dir ist schon klar, dass Du zumindest 20 Meter tief tauchen musst – der bevorzugte Aufenthaltsort für die Ama Divers, denn dort finden sie die schönsten Perlen!“, sagte Agatha zu Akiko. „Und dann müssen wir ein wesentlich größeres Gebiet absuchen – vielleicht ist sie Gott weiß wohin abgetrieben worden! Da braucht es schon einen Rekord an Atemanhalten! Sonst müssen wir alle Augenblicke auftauchen…“, fügte sie hinzu.
Die Beiden schlossen den Ama an – das bedeutete, dass sie möglichst unauffällig agieren mussten, und das bedeutete zweitens, dass sie den Fundoshi anzogen, ein Nichts an Stoff. Der fragmentarische Stil hatte vor allem den Sinn, dass der Wasserwiderstand auf ein Minimum reduziert wurde. Wir bekleideten uns – abgesehen vom Fundoshi – mit dem traditionellen Kopftuch und nahmen das scharfe Messer – auf die Leine zum Wiederaufstieg verzichteten wir, damit wir frei waren in unserem Bemühen, die Leiche zu finden. Ja, denn dass die verschwundene Ama tot war, gab es keinen Zweifel – wir mussten sie nur erst finden. Und ihre Mörder!
Wir ließen den Ama Divers den Vortritt, hielten uns bewusst im Hintergrund. Wir waren durch unsere Verkleidung respektive Nicht-Verkleidung vor neugierigen Blicken geschützt. Und dann ging es hinab in die Tiefe – das Meer war kühl, doch nicht unangenehm, zumindest für‘s Erste. Wir entfernte uns von den anderen (wir nahmen an, dass die Ama die üblichen Plätze schon genauer untersucht haben würden) und drangen in unbekanntes Gewässer vor – dabei tauchten wir auf, wenn es unbedingt notwendig war, und nach einem einzigen Atemzug unternahmen wir einen weiteren Tauchgang. Vergeblich – wir hielten unsere Ausschau auf, zumal die übrigen Ama nach viereinhalb Stunden, die sie großteils unter Wasser verbrachten hatten, geschlaucht ihre Boote bestiegen. Und wir mit ihnen, da wir ebenfalls geschlaucht waren und nicht auffallen wollten. Wir verbrachten die Zeit mit ihnen, nahmen ihr einfaches Mahl mit ihnen ein (bei der Gelegenheit erfuhren wir erstmals den Namen der Verschwunden – Tamiko) und gingen zeitig schlafen, damit wir ausgeruht unserer jeweiligen Beschäftigung nachgehen konnten. Wir mit unserer, die Ama mit ihrer.
Wir machten uns ohne Frühstück auf den Weg zu unseren Kähnen. Die Ama arbeiteten an ihren Stammplätzen und Agatha und Akiko erkundeten in der entgegengesetzten Richtung das Terrain. Wir brauchten diesmal nicht lange suchen: Tamiko war mit den Füßen in einen Betonklotz eingesperrt und starrte uns angsterfüllt entgegen – sie war seit drei Tagen tot. Man hatte ihr zunächst den Fundoshi abgenommen und sie mehrfach brutal vergewaltigt, und das von vorne und von hinten. Blut war im Spiel – sie hatten ihr tiefe Schnittwunden beigebracht. Wenn der eine sich abreagiert hatte, war der andere dran. Sie musste ungeheure Qualen ausgestanden haben. Selbst als sie schon das Zeitliche gesegnet hatte, hatten die Mörder ihr das angetan. Akiko musste sich übergeben. Ihr Erbrochenes schwebte im Wasser.
Agatha rief den Polizeichef an, um ihm das mitzuteilen. Er versprach, sich um das Weitere zu kümmern. Agatha und Akiko suchten ab jetzt die Mörder. Wo beginnen? Und waren die Verbrecher nicht schon über alle Berge? Agatha hatte einen leisen Verdacht – sie mussten aus dem Milieu der Yakuza stammen, was die Ermittlungen besonders gefährlich machen würde.
Szenenwechsel: In einer Tokioter Spelunke, von der erfahren hatten, dass Yakuza (die nämlichen, welchen) sie frequentierten, boten sich Agatha und Akiko als Huren an, in der Hoffnung, dass die Strolche anbeißen würden. Dazu bedurfte es eines besonderen Services, wobei Agatha als „Weiße Frau“ absolut im Vorteil war – Akiko hatte aber auch Einiges zu bieten, aber die Collins war einsame Spitze. Sie techtelmechtelten beide nach Strich und Faden, mit einem Slip bekleidet, oben ohne – sie schienen jegliche Scham abgelegt zu haben. Aber nicht wirklich, da mussten sie schon ihre Skrupel ablegen, damit sie die Wünsche der „Herren“ erfüllen konnten.
Da tat sich Akiko mit ihrem traditionellen Zugang zur männlichen Überheblichkeit leichter als Agatha mit ihrem westlichen Standard – aber so verschieden waren die Beziehungen auch wieder nicht. Außerdem muss man nur runde 100 Jahre zurückgehen, da sieht die Angelegenheit ganz anders aus. Egal – Agatha musste sich stärker zurücknahmen als Akiko, wenn sie die Kerle befriedigen sollten. Darunter waren – anders als vielleicht in Europa oder den Vereinigten Staaten – in Japan vom Straßenkehrer bis zum Generaldirektor alle vertreten, die nur das Eine wollten: Die bedingungslose Unterwerfung unter den männlichen Willen!
Agatha hatte einen ebenso bedingungslosen Auftrag – die Verbrecher zu fangen!
Und da prahlte Einer, dass er die Ama namens Tamiko umgebracht hatte, und Zweiter, dass es ihm Spaß gemacht habe, sie zu malträtieren. Agatha und Akiko drängten sich den Beiden nahezu auf. Agatha nahm den Einen und Akiko den Anderen. Die Collins hatte der Yamamoto den Trick mit dem „Systemausfall“ längst gezeigt und den wandten sie gleichzeitig an. Agatha meldete den Vollzug dem Polizeichef…