Agatha Collins – Striptease, einmal anders
Agatha Collins wurde in ein Striptease-Lokal der besonderen Art gerufen – hier strippten Männer für Männer. Und einer von ihnen war plötzlich tot. Die Agentin, sowie es ihr P.R.-Job erlaubte, schlüpftes in ihre Funktion als Privatdetektivin, um der Sache nachzugehen. Dabei war, so hoffte sie, ihr höchstpersönlicher Einsatz weniger gefragt, wie bei den meisten übrigen Kriminalfällen. Akiko Yamamoto, die sie aus ihrem früheren Fall geerbt hatte, arbeitete nun als ihre Assistentin – froh, der Männergesellschaft entronnen zu sein.
Ein erster Augenschein ergab, dass einer von den Strippern umgebracht worden war – übel zugerichtet in seiner Garderobe. Die Vorstellung war längst vorüber, sodass er erst in den frühen Morgenstunden aufgefunden wurde,als der Putztrupp das Terrain bezogen hatte. Der Kriminalkommissar wusste ehrlich nicht weiter und so kam Agatha in‘s Spiel. Übrigens der Name des Striptease-Künstlers war Len Deighton – Agatha dachte bei sich: „It can’t be helped!“, ging aber zur Tagesordnung über.
Die Leiche des Ermordeten war schon weggebracht worden, es erinnerte nur mehr die Kreidezeichnung an ihn, und ein bisschen Blut. Agatha und Akiko nahmen die Ermittlungen auf, da gab es zunächst viel zu ermitteln. Sie tappten völlig im Dunkeln. Sie rätselten hin und her: War es ein Mann (der aus irgendeinem Grund eifersüchtig war, auf einen anderen Mann) oder eine Frau (mit ähnlichen Motiven, vielleicht eine Frau, die das nicht für möglich gehalten hätte, dass ihr Mann sie mit einem anderen Mann betrog). Es blieb nichts über, als sich die Performance anzusehen. Die neugierigen Blicke verfolgten sie, als sie in die reine „Stag Night“ hereinplatzten. Da waren alle – nur Len Deighton fehlte, und damit die Hauptfigur. Hier hatte das Management des Clubs für raschen Ersatz gesorgt.
Die Körper hatten was durchaus Ästhetisches an sich, jedenfalls wenn sie so aussahen – durchtrainiert und kein Quäntchen überflüssigen Fettes. Das war ein perfektes Striptease, wo bis auf die Haut alles ausgezogen wurde. Dabei traten fallweise zu Zwischenfällen in der Art auf, dass der Stripper keinen hochbekam. Das war natürlich eine mittlere Katastrophe, denn wegen was fand sich das Publikum ein, wenn sie es nicht sehen durften in seiner Pracht. Das war die Grundvoraussetzung in diesem Geschäft. Mehr noch, die Entkleidungskünstler wogen sich hin und her, nachdem sie schon alles abgelegt hatten. Und sie wogen sich hin und wogen sich her, ohne Unterlass, damit nur ja jedermann sie bestaunen kann – und berühren, denn auch dafür gaben sie sich her.
Agatha und Akiko tappten, wie gesagt, völlig im Dunkeln…
Bis Akiko eine Idee hatte. Was wäre, wenn der simple Grund darin bestünde, dass sich der eine aufgerichtet hatte, während der zweite unter Nicht-Aufrichtung litt – so kompliziert drückte sich Akiko manchmal aus. Aber man muss das verstehen – sie als geborene Japanerin konnte sich in die Feinheiten der deutschen (im Original: englischen) Sprache merken. Agatha übersetzte: „Du meinst, dass der eine einen Ständer hatte, während der andere einen Hänger hatte!“, war sie von ihrem Wortspiel begeistert.
Da musste mehr dahinter stecken, als ein bloßes Gemetzel um wenige Zentimeter – aber was war’s. Agatha und Akiko kamen nicht dahinter – und dann hatten Beide eine Erleuchtung. Sie gingen in‘s bereits versiegelte Domizil von Len Deighton und schauten sich um. Da war auf seinem Laptop neben unwichtigen Zeug die pornografische Ecke: Man konnte „scharfe“ Bilder sehen, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließen – und wohlgemerkt ausschließlich heterosexuelle Inhalte aufwiesen. „Wenn so ein falsches Schwein alle getäuscht hatte und ganz ‚normalen‘ Sex haben wollte, dann wundert es mich nicht, dass er bei der anschließenden Bühnen-Show keinen mehr hochbekam!“, sagte Akiko. Agatha, akademisch: „Es handelt sich um typisches Borderline-Syndrom oder volkstümlich ausgedrückt: ‚Himmel jauchzend, zu Tode betrübt!‘ Nicht alle können mit dieser Situation gut umgehen…“
Blieb noch die Frage, warum man einen Kerl mit dieser Persönlichkeitsstörung gleich eliminieren musste. Da sollte von langer Hand einiges passiert sein. Das ließ nicht auf sich warten – bei genauerer Suche fanden die Beiden einen handschriftlichen Zettel, der allerdings nicht abgeschickt worden war. Ein Konzept also mit folgendem Text:
Lieber Freund, ehemals Geliebter!
Ich habe mir das lange überlegt: Ich liebe Dich nicht mehr! Das ist nicht einfach zu erklären – da geht es nicht so sehr um Dich, aber um meine wiederentdeckte heterosexuelle Neigung…
Das war es – Agatha und Akiko fiel es wie Schuppen von den Augen. Wie konnten wir lange so blind gewesen sein.