Agatha Collins – Die Geheimprostituierte
Agatha Collins konzentrierte sich wieder auf ihre P.R.-Tätigkeit – das war ihr permanentes Standbein, abgesehen von ihrem Metier als Privatdetektivin, wo die Aufträge in unregelmäßigen Abständen hereinkamen. Sie hatte das Mandat für die Werbung einer Druckerei im Ausmaß von 40.000 Euro erhalten – das war eine Order, die hatte es in sich, jedenfalls für Agatha. Sie stürzte sich unmittelbar in‘s Getriebe, hatte für nichts anderes mehr im Sinn.
Werbung ist bekanntlich eine Form der Kommunikation, die darauf abzielt, potenzielle Kunden oder Verbraucher auf Produkte und Dienstleistungen, in diesem Fall auf das vielfältige Angebot einer Druckerei, aufmerksam zu machen und sie zum Kauf oder zur Nutzung dieser Angebote zu bewegen. Werbung kann in verschiedenen Medien wie Fernsehen, Radio, Printmedien, Online-Plattformen und sozialen Medien erfolgen.
Ein weites Betätigungsfeld, das sie problemlos meisterte. Wäre da nicht der neu hinzugekommene Fall der verschwundenen Frau hinzugetreten – sie musste wieder ihr Multi-Tasking auspacken. Die „weibliche Person“ (wie es im offiziellen Kommuniqué hieß) war seit mehr als drei Tagen spurlos abgängig und die Polizei entschloss sich unter Zuhilfenahme unserer Privatdetektivin Licht in‘s Dunkel zu bringen. Agatha suchte die Wohnung auf (die bekannt war). Aber was sie da erlebte, das musste sie erst verkraften.
Die verschwundene Frau hatte mittlerweile einen Namen: Emmanuelle Cassian!
In einem Raum – die Folterkammer par excellence. Sie quälte auf Wunsch ihre Kunden, sie mimte aber auch in einem anderen Zimmer, das wie ein Puff eingerichtet war (zumindest stellte sich Agatha das so vor), schmuseweiche und softe Action. Das Letztere ohne selbstverständlich ohne Kondom – wenigstens deutete das Fehlen jeglicher Präservative darauf hin. Sonst kein Hinweis, der die Sache aufklären konnte.
Agatha blieb nichts anderes übrig, als sich im reichhaltigen Fundus der Zielperson zurechtzufinden – gottlob entsprach die Größe von Emmanuelle jener von Agatha einigermaßen. Sie würde eines der zahlreichen Outfits anziehen, hoffen, dass ein Klient käme, sich als Vertretung präsentieren und dann sich vorstellen, dass der Betreffende erschien. Sie war wenig optimistisch, dass es klappte, aber das war ihre einzige Spur. Dann wartete sie…
Und siehe da, es dauerte nicht lange, bis der erste Kunde eintraf. Er wollte ausgepeitscht werden – also zog sie einen Lederrock mit entsprechend Oberteil an, dazu schwarze Stiefel. Sie gelte sich die Haare hinten, und fertig war die Schlampe. Sie karbatschte ihn – mit einem „Danke, Herrin!“ verabschiedete er sich. Der konnte es nicht gewesen sein, dazu war er viel zu devot. Wenn, was nicht sicher war, die Prostituierte getötet worden wäre.
Der Nächste verlangte, dass Agatha ihm einen blasen sollte – das war einfach für sie, zumal die hygienischen Voraussetzungen stimmten. Außerdem hatte ein früherer Freund von ihr dasselbe verlangt, und sie hatte es mehr oder weniger genossen. Zu Mittag gönnte sie eine ausgiebige Pause – sie ging etwas essen. Am späteren Nachmittag kam einer vorbei, der wollte sie von hinten nehmen. Obwohl sie von ihrem früheren Freund auch diesbezügliche Erfahrungen hatte, war das weniger lustvoll wegen des Gestanks, den der Klient verbreitete.
Was machte Agatha hier? War sie komplett wahnsinnig? Nur auf Grund der vagen Hoffnung, dass der Gesuchte die Frechheit besitzen würde, hier wieder aufzutauchen und günstigenfalls ein Geständnis ablegen würde, was mit der verschwundenen Frau passiert war. Agatha musste ihr gesamtes Einfühlungsvermögen aufbringen, dass ihr das vorsichtig gelänge!
Am nächsten Tag kam einer vorbei, der ganz normal ficken wollte (sie wissen schon, da frequentiere man die im Boudoir-Stil eingerichtete Örtlichkeit). Er stank genauso wie sein Vorgänger, das musste eine Eigenschaft der Besucher von Huren sein. Er war grundhässlich, da kam noch hinzu – Agatha gruselte es schauerlich, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, der Sache auf den Grund zu gehen, so schwierig es auch sein mochte. Als nächster tauchte ein komischer Vogel auf: Er wollte, dass sie sich in die Badewanne setzte, und er saß daneben und probierte Agatha einen Bikini nach dem anderen an – die Bikinis, deren Format zu wünschen übrig ließ, hatte er zuvor mitgebracht. Dann empfahl er sich wieder – heimlich und leise, wie er gekommen war. Es gibt schon eigene Typen, dachte Agatha für sich.
Jetzt gönnte sie sich eine längere Pause, in der sie meditierte.
Weiter. Sie wollte das abschließen. Der nächste Kunde hatte einen einfachen Wunsch: Er zog sich nackt aus, posierte vor ihr, bis es ihm kam, zog sich an – und das war‘s dann. Agatha hatte überhaupt nichts zu tun, außer ihm zuzusehen. Er verließ grußlos die Wohnung. Der nächste Klient verlangte von ihr, dass sie sich hüllenlos mit blauer Farbe einstreichen ließ – er war ihr behilflich an den Stellen, wo sie nicht so gut dazukam. Agatha hatte das umwerfende Gefühl, dass das ihr Mann war.
„Was ist mit meiner Kollegin passiert? Ist sie noch am Leben?“, fragte sie. – „Das wüssten Sie wohl gerne! Die Frage kann ich Ihnen beantworten: Ich habe sie weggebracht sowie sie war, nackt und blau eingefärbt – und ich habe sie ,entsorgt‘! Und Ihnen blüht dasselbe Schicksal, wenn ich mich an Ihnen vergangen habe!“
Agatha packte einen Griff aus, den sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Privatdetektivin kennengelernt hatte und stellte ihn kalt – „Systemausfall“ hatte der Lehrer es genannt.
„Ihr könnt das Schwein abholen!“, stattete Agatha ihre Vollzugsmeldung ab. Die Polizei wunderte sich über die blaue Bemalung, obwohl sie einen Bademantel übergeworfen hatte. Wenn die Beamten erst ihren Körper gesehen hätten…